Die Göttersteine und Götter Verehrung der römischen Besatzungstruppen im Kastell Rigomagus-Remagen
VON BERNHARD KOSSMANN
Jupiterkopf
Foto: Stang
Wer die Götterverehrung der römischen Besatzungstruppen und unserer Vorfahren in den ersten vier Jahrhunderten nach Christus kennen und würdigen will, der ist im wesentlichen auf Bodenfunde angewiesen, die in den rheinischen Museen in großer Anzahl aufbewahrt werden. Auch das Remagener römisch-fränkische Heimatmuseum birgt außer den Kaiser- und Soldatenmälern, den bürgerlichen, fränkischen und frühchristlichen Grabsteinen auch elf Göttermäler, oder Bruchstücke davon, die auf römische, orientalische und auch keltisch-germanische Gottheiten hinweisen.
Es sind schöne Trophäen unseres heimatlichen Altertums. Wie viele Denkmäler mit Götterbildern, Altären, Weihegaben aus Stein, Bronze und Terrakotten mögen noch in der heimatlichen Erde ruhen, in den Fundamenten alter Häuser verbaut oder zur Unkenntlichkeit zerschlagen worden sein. Schöne Denkmäler aus Remagen haben auch noch in anderen rheinischen Museen eine Heimstätte gefunden.
Die Inschriften der Remagener Göttersteine sind in lateinischer Sprache gehalten. Die Formulierung des Textes und auch die äußere Gestalt der Denkmäler sind aus Italien übernommen. Oft werden mit der Errichtung der Denkmäler Gelübde erfüllt, wie auf mehreren Remagener Steinen am Schlüsse des Textes durch Frömmigkeitsäußerung der Formel VSLLM zum Ausdruck kommt. Ergänzt lautet die Formel: V(otum) S(olvit) L(aetus) L(ibens) M(erito) = Der Geber hat sein Gelübde gern nach Verdienst erfüllt.
Die Römer waren gegenüber den Religionen anderer Völker sehr duldsam; Religionsausübung galt ihnen als Privatsache. Nicht bloß die griechische Götterwelt, sondern auch der Kultus und die heiligen Gebräuche des Orients, der Chaldäer, Perser, Syrer und Ägypter, wurden allmählich in den Kreis der Staatsreligionen einbezogen. Das kaiserliche Rom wurde ein wahres „Pantheon", wo alle heidnischen Gottheiten in bunter Mischung Dienst und Verehrung fanden. Notwendige Voraussetzung einer solchen Duldung aber war, daß diese Religionen selbst sich nebeneinander duldeten, daß es Religionen für einzelne Völker waren.
Dem widersprach das Christentum prinzipiell; es erhob den Anspruch, nicht eine Volksreligion neben den anderen, sondern die eine, absolute, geoffenbarte Weltreligion zu sein. Hierin war ein Gegensatz zwischen der christlichen Religion und dem römischen Staate gegeben, der nur zwei Möglichkeiten zuließ: entweder wurde der römische Weltstaat Träger der neuen Weltreligion, oder er mußte sie vernichten. Wenn er zunächst das Letztere versuchte, so hängt das damit zusammen, daß das Christentum seinem innersten Wesen nach der antiken Lebensanschauung widersprach. Das Christentum machte zu seinem obersten Sittengesetz die Verneinung des Irdischen; das Lebensprinzip des Altertums aber lag gerade in dessen Bejahung. Auf dieser Bejahung beruhte die Kraft des römischen Staates.
Die Christen mieden Kriegsdienst und Staatsämter und entthronten damit gewissermaßen den Staat, in dessen Dienst die Römer ihre höchste sittliche Pflicht zu erfüllen glaubten. Wenn in den Christenprozessen die entscheidenden Anklagen meist dahin gingen, daß sie sich weigerten, dem seit Kaiser Augustus (31. v. Chr. bis 14 n. Chr.) vergötterten Herrscher zu opfern, so ist das kein Zufall, denn hierin sprach sich der zwiefache Gegensatz am schärfsten aus. Der Christengott duldet keine anderen Götter über sich. Die Verweigerung des Opfers für Kaiser und Jupiter bedeutete für die Römer die Verneinung des Staates, dessen Majestät eben durch den vergötterten Kaiser verkörpert wurde. Im römischen Westen, von der Sahara bis nach Schottland, hat die Kaiserzeit Hunderte Götter bei den Völkern vorgefunden, auch bei den Germanen und Kelten.
Neben dem Staatskult der Römer lebten die Gottheiten unserer Heimat ungestört weiter. Es war für den römischen Soldaten selbstverständlich, daß sich ihre Gottheiten von denjenigen der eroberten Provinzen nicht unterschieden. Man gab ihnen die Namen lateinischer Verwandten und machte sie damit hoffähig. Es war ein Vorgang, den Tacitus als „Interpretatio Romana" (römische Übersetzung) bezeichnete. Germanische Kulte haben im römischen Heere eine bevorzugte Stellung eingenommen. Die Feststellung, ob es sich dabei um germanische oder keltische Kulte handelte, ist nicht leicht, weil die Germanen längere Zeit unter dem Einfluß der keltischen Nachbarn standen. Zudem zeigten die Götterverehrungen eine örtliche Verschiedenheit und zeitliche Wandlungen; man kann sogar von „Modekulten" reden. Die Eigennamen germanischer und keltischer Prägung behielten ihre Namen, wenn ein göttliches Wesen sich nicht bequem mit einem italienischen gleichsetzen ließ. Häufiger ist die Interpretatio Romana, die dem keltischen oder germanischen Gott einen lateinischen Namen gab. Die Trinität von Merkur, Mars und Hercules dürfte nichts anderes sein als die interpretierten germanischen Hauptgötter: Wodan mit seinen zwei Söhnen Zio und Donar. Im Standlager des Kastells führte jede Truppe ihr Sonderdasein, und so fanden auch die Götter des Heeres hier eine Stätte der Verehrung. Es war der geheiligte Raum, der die Feldzeichen (Signa) barg und den Göttersteinen Aufnahme gewährte. Hier standen auch die Altäre, um das Opfer darzubringen.
Die Götter, die nach den Signa benannt wurden, standen an der via principalis (Hauptstraße des Kastells) und waren vom Tribunal (Gerichtshof) aus sichtbar.
Konnte das Heer auf dem Marsche die Götter mit sich führen, so waren ihre Bildnisse in kleinen tragbaren Figuren (Tacitus Annalen 15,29) an den Feldzeichen der Manipel (120—200 Mann) befestigt.
Der Adler der Truppe war seinem Wesen nach keine Fahne, sondern das Symbol des „Jupiter optimus maximus", des höchsten der Schutzgötter des Heeres. Er war der Schirmherr des römischen Staates und begleitet von den Göttinnen Juno (höchste Himmelsgöttin) und Minerva (Schützern! der Künste), die mit ihm die „Trias Capitulina" bildeten. Es war das höchste Heiligturn und der mythologische Mittelpunkt Roms. Das Remagener Museum birgt zwei Bruchstücke von Jupitermälem:
1. eine Jupiterstatue in sitzender Stellung aus Tuffstein (Nr. 14 des Museumsführers). Der Gott thront mit nacktem Oberkörper. Über der linken Schulter hängt ein Zipfel des Mantels, der den Schoß bedeckt und hinter dem Rücken hochgezogen ist. Der Kopf und die beiden Arme fehlen, der Unterkörper und der Thron sind bestoßen. Die erhobene Linke hielt vermutlich das Zepter, die gesenkte Rechte auf dem rechten Knie den Blitz. Die meisten Jupitermäler sind der Kultstatue des Kapitols in Rom nachgebildet.
2. ein Jupiterkopf aus weißem Kalkstein (Nr. 15 des Führers). Das majestätische Haupt ist von Locken umwallt. Die Nase zeigt starke Beschädigungen auf. Nach der Größe des Hauptes zu urteilen, war es wohl die Krönung eines Viergöttersteines, bei dein Jupiter auf eine Säule postiert war, die vielleicht von einem würfelförmigen Quader mit Reliefdarstellungen der Remagener Götter getragen wurde. Es war so Brauch, der den keltischen und germanischen Vorstellungen eines Götterdenkmals entgegen kam.
Die vierseitige Basis eines solchen Jupiterdenkmals hat man in Nierendorf (Kreis Ahrweiler) gefunden. Das Jupiterbild wird auf einer Säule gestanden haben. Drei Reliefs in rechteckigen, oben halbrund geschlossenen Nischen, stellen die Gottheiten Minerva (Schützern! der Künste), Hercules (Halbgott und Held der griechisch-römischen Sage, dann Gott) und Ceres (Göttin des Ackerbaues). Heute dient dieser Quader, ein Abguß des Originals (Trier), als Taufbecken. Mehrmals wird Jupiter als „Schutzgott des Ortes", als „Genius loci", bezeichnet. So steht auf einem Votivaltar (votum — Gelübde) aus den! 2. Jahrhundert, der bei dem Eisenbahnbau zwischen Apollinariskirche und Rhein am 2. September 1857 gefunden wurde. Der Altar ist im Bonner Landesmuseum beheimatet als Geschenk des Grafen von Fürstenberg Stammheim. Darauf erscheint Jupiter mit der Göttertrinität Mars (Hauptgott des Heeres), Hercules und Mercurius (Gott des Handels).
Vier Soldaten der XXX. Legion aus Xanten wurden zur „Beneßciarierstation" in Remagen abkommandiert. Sie hatten beim Abgang diesen Stein den Lokalgöttern geweiht. Unsere Kenntnis der Beneficiarierposten beruht auf den Votivaltären, welche die Beneficiarier nach ihrer vorübergehenden Tätigkeit an dem Orte der Station aus eigenen Mitteln errichteten. Deshalb waren die Altäre meist auch von geringem Umfang.
Die Beneficiarier waren Soldaten, die durch einen höheren Offizier von gewissen Diensten befreit waren (beneficium = Auszeichnung, „Gefreiter"). Sie befanden sieh beim Stabe der Kommandeure, wo sie im Bürodienst Verwendung fanden. Außerdem wurden sie, namentlich in der späteren Kaiserzeit, als Landgendarmen zum Aufsichtsdienst über den Straßenverkehr u. dgl. verwandt, weshalb sie häufig an wichtigeren Straßenkreuzungen stationiert waren. Remagen hatte so eine wichtige Straßenkreuzung mit Meilenstein (Nr. 13 des Führers). Es galt nicht nur die wichtige Rheinstraße, sondern auch die Abzweigungen ins Ahrtal und in die Eifel zu sichern. Aus dem römischen Glauben an die Schutzgöttinnen der Wegekreuzungen entwickelte sich auch in den Provinzen der Kult der Gottheiten Biviae (Zweiweg), Triviae (Dreiweg) und Quadriviace (Vierweg). Drei Weihesteine — Nr. 2 und Nr. 7 des Führers sowie der Bonner Stein, der beim Eisenbahnbau gefunden wurde — bezeugen, daß in Remagen eine dieser seltenen Stationen bestanden hat. Der Gott, der oft auf diesen Altären genannt wird, ist Jupiter. Später treten die Lokalgottheiten, neben Jupiter, die auch als Genius loci (Schtitzgeist des Ortes) genannt werden. An die Verehrung des Genius loci schließen sich meist die Lokalgottheiten an.
Bei dem Stein Nr. 2 des Führers handelt es sich um einen Altar für den Genius loci und den Rheinstrom. Es ist der Colt Rhemis, ein sehr seltener Gott, der nur einigemal am Strome vorkommt. Ein zweiter Remagener Altar mit der Weihung an den Rheinstrom ist leider verloren gegangen (Altar Brambach 647). Der erste Altar stammt aus dem Jahre um 180 n. Chr., und der zweite war auch von einem Beneficiarier im Jahre 190 n. Chr. geweiht. Beide Trachytsteine wurden beim Kirchenneubau 1904 in Remagen gefunden.
Diese beiden Weihungen bezeugen, daß Remagen in römischer Zeit ein bedeutender Schifferort war und wahrscheinlich auch einen Rheinhafen besaß.
Die Weihung des 1. Altares lautet: „Genio loc(i) / (fl)umim Rhe(n) / o T(itus) Flavius / (Sti?)lo b(cnc)f(iciarius) Salvi / (Jul)iani co(n)s(ularis) / v.s.l.m."
,, . . . dem besten größten Jupiter und dem Schutzgeist des Ortes (und) dem Rheinstrom hat Titus Flavius Stilo (?), Gefreiter des Statthalters Salvius Julianus, sein Gelübde gern nach Verdienst erfüllt." Die Weiheschrift ist wieder beendet mit der häufig wiederkehrenden Formel der Frömmigkeitsäußerung.
Im 2. Jahrhundert breitete sich die Form des örtlich verehrten Genius weiter aus. Allen neu entstandenen Einrichtungen des öffentlichen Lebens wuchsen ihre Schutzheiligen von selbst zu und erhielten ihre göttliche Personifikation. Es gibt am Rhein ungezählte Weihungen für den Genius einer Provinz, einer Stadt, eines Dorfes, eines Truppenteiles, einer Kaserne, eines Bades. Man verehrt die Getreide- und Marktverwalturig, auch andere Verwaltungen als Gott. Wenn man sich nicht näher ausdrücken kann, tritt der Genius loci ein, eine bequeme Bezeichnung für die vielen namenlosen Wesen (Nr. 24 d. F.).
Unser Museum zeigt auch einen Matronenstein mit zwei Gottheiten (Nr. 17 d. F.). Matronen sind nach ubischgermanischem Glauben die Schützerinnen bestimmter Familien, Sippen, Gutsbezirke, Orte und Landschaften. Sie haben näher kennzeichnende Beinamen, die germanischen Ursprungs sind. Die Hochblüte erlebte dieser Kult im Verlaufe des 2. Jahrhunderts n. Chr. mit den Zentren Bonn, Jülich und Zülpich. Dargestellt werden sie meist als zwei oder drei kollektiv verehrte Fruchtbarkeitsgöttinnen in der Festtracht der Bäuerinnen mit langen Mänteln und einem großen Hut als Kopfbedeckung. Sie tragen flache Körbe auf dem Schoß, die mit Früchten gefüllt sind. Die Matronensteine wurden in allen Größen hergestellt.
Der Matronenstein im Remagener
Museum
Foto: Stang
Nicht alle Orte haben es zu einem mit wirklichen Kunstwerken geschmückten Weihemal gebracht, wie es die „Matres Aufaniae" in Bonn und Nettersheim zeigen. Ein besonderes Heiligtum der „Vacallinehischen Matronen" lag bei dem Dorfe Pesch in der Nähe von Zülpich. Die Votivaltäre entstanden dort in großer Anzahl in vielen Arten in heimischen Bildhauerwerkstätten. Sie fanden eine weite Verbreitung.
Vielfach waren die Denkmäler von geringer Größe, weil die einheimischen Soldaten (Beneficiarier) die Matronengöttinnen auch an ihren Dienstorten verehren wollten. So ist anzunehmen, daß auch die drei Remagener Matronenbruchstücke von den Landjägern des Straßenschutzes geweiht wurden. Es ist unbekannt, aus welchen Orten die Steine stammten. Der Matronenstein im Remagener Museum ist klein und von einfacher Ausführung mit zwei Muttergottheiten. Die rechte Figur ist ohne Kopf. Beide Göttinnen tragen Über- und Untergewänder, die teils bis zur Erde reichen und durch Spangen gehalten werden. Die linke Göttin trägt keinen Hut, sie zeigt ein gewelltes Haar mit langen Zöpfen. Im Schöße halten beide Feldfrüchte. Es ist von Interesse, daß bei einer Hausreparatur bis zur Fundamentsohle am Hause Wilhelm Hillen (jetzt Blumenberg) in Remagen, Milchgasse, im Juni 1887 ein Matronenbruchstein mit tief eingehaltenen und eleganten Buchstaben gefunden wurde, der auf eine gute Zeit hinweist. „(—)roniu(s) / (Matr)onis (—) / v.s.l.m." Die römischen Soldaten akzeptierten die Göttlichkeit der germanischen Matronen, sie wurden ihre eifrigsten Verehrer und trugen ihren Kult später sogar bis in die Hauptstadt des Imperiums.
(Nr. 6 des Führers) Auf der Baustelle des Jakob Orth, Remagen, Fürstenbergstraße, jetzt Niederlage der Königsbacher Brauerei A.G., wurde im Jahre 1892 ein großer Votivaltar aus Brohler Tuffstein zu Tage gefördert, der in mehrere Stücke zerschlagen war. Es war ein Altar für die germanisch-keltische Göttin Sunuxal. Die seltene Göttin ist noch aus anderen Weiheeinschriften in Eschweiler, Heimbach und Köln bekannt. Sie wird als die Stammesgöttin des gallisch-belgischen Stammes der Sunuci angesehen, die zwischen den Ubiern und Tungern im Maasgebiet wohnten.
Der Altar ist oberhalb an den Seiten mit Schmuckrollen versehen und an der Vorderseite mit Rosetten verziert. Geweiht wurde er von Valerius Bassus, optio (Feldwebel) der Legion I Minerva. Diese Legion wurde 83 nach Chr. von Kaiser Domitian (81—96) gegründet. Ihr Standort war Bonn. Vermutlich hatte der Optio ein vorübergehendes Kommando in Remagen und bei dieser Gelegenheit seiner heimischen Gottheit den Altar geweiht. Der ergänzende Text lautet: „(D)eae / (Sun)uxali / (...) Valeri / (us Ba)ssus optio / (lcg(ionis)) T M(inerviac) p(iae) f(idclis) / (pro s)e et suis / (v.)s.l.m."
„ . . . der Göttin Sunuxal erfüllt Valerius Bassus, Feldwebel der Legion Minerva, der f rom men und getreuen, für sich und die Seinen gern nach Verdienst das Gelübde." Das Museum birgt zwei Altäre, bei denen die Gottheiten durch starke Beschädigungen unbekannt bleiben.
Der erste Altar (Nr. l d. F.) ist der Unterteil eines rechteckigen Altares, der oben abgebrochen ist. F.r wurde von der Gattin des Präfekten (Befehlshabers) Firmus der Kohorte I Flavia (360—600 Schwerbewaffnete zu Fuß) geweiht. Nach der Inschrift geschah es zur Zeit des Soldatenkaisers Marcus Aurelius Antonius (Caracalla), der von 211 bis 217 n. Chr. regierte. Von 211 n. Chr. an regierte er mit seinem Bruder Geta ungefähr l Jahr gemeinsam, dann wurde er in den Armen seiner Mutter ermordet. Deshalb tilgte man auf dem Votivstein die letzte Zeile mit dem Namen Geta, wie es damals üblich war, aus.
„—— / Clau ....... l
prospere ........ /
curante l ....... I
Firmo pracf(ccto) coh(ortis /
I
Fl(aviae) marito suo /
dicavit /
dominis . . . (n)n(ostris) imp(cratore) Antonino / Aug(usto) II (et Geta Caes(are)) co(n)s(ulibus)"
„Auf Betreiben des Julius Firmus, Präfekt der Kohorte I Flavia, ihres Gatten,
geweiht unter dem 2. Konsulat unseres Herrn des Kaisers Antonius und des Prinzen
Geta." Der Stein wurde gefunden in Remagen bei der Kirchenerweiterung im
Jahre 1904. Der zweite Votivstein (Nr. 21 d. F.) des unbekannten Gottes besteht
aus zwei viereckigen säulenartigen Fragmenten aus Kalkstein, deren Oberteil
anscheinend unversehrt erhalten, der untere Teil aber abgebrochen ist. Beide
haben eine Breite von 18 1/2 bzw. 19 1/2 cm und eine gleiche Dicke von 14 cm. Die
Stücke haben eine ungleiche Länge von 36 cm und 43 cm. Beide sind mit einem
Pinienzapfen, dessen Spitze beim ersten Stück abgebrochen ist, gekrönt. Es
sind Teile mit ein und derselben eingemeißelten Inschrift. Sie müssen in der
Weise zusammengefügt werden, daß die erste Zeile des ersten Steines mit der
zweiten Zeile des zweiten Steines übereinstimmt.
Diese Stücke stammen aus dem Jahre 158, der besten Zeit der Römerherrschaft in Remagen. Sie wurden gefunden im Jahre 1892 bei der Fundamentierung des Weinkellers Jakob Orthau der Fürstenbergstraße. Dort lagen sie am Fußende der christlichen Grabkammer der „MctcrioLi" aus dem 5. Jahrhundert (Nr. 18 d. F.). Sie dienten wahrscheinlich ihrer Gestalt nach der Ausschmückung des Steinsarges als Eckpfeiler, wie es damals bei Grabstätten aus christlicher Zeit in der Rheinprovinz beobachtet wurde.
»,(—————)
/ pracf(cctus) (c)oh(ortis) l (Fl(avi-
ile))/
Hisp(anorum) e(q)uit(atae) p(iae)
f(idelis) /
iussu (i)psius (a) / (ra)m
po(s)uit ( . . ) /
Tertul(i)o et Clemcntc / co(n)s(ulibus)."
„Dem Gotte N. N. hat der Befehlshaber der Kohorte I Hispanorum, der zum Teil berittenen frommen und getreuen, hat auf Befehl desselben den Altar geweiht unter dem Konsulat des Tertellus und Clemens (158 11. Chr.)". Zu dieser Zeit regierte Kaiser Antonius Pius von 138 bis 161 n. Chr.
Auch dem Gatte Amor wurde von den rauhen Kriegsknechten Reverenz erwiesen. Ein kleines Originalrelief (Nr. 22 d. F.) aus Sandstein mit Pfeil und Bogen zeigt diesen Gott als Teil eines Grabmals.
In der Spätzeit des Kastells war es der Besatzung gestattet, außerhalb der Festung im Vicus der einheimischen Bevölkerung im „Landsknechtsstil" einen Hausstand zu gründen, womit auch der Nachwuchs für die Legionen des Imperiums gesichert war.
Noch andere Namen des Remagener Götterhimmels fand man auf Altarsteinen und Weihereliefs, die in andere Museen gelagert, wovon manche auch verschollen sind. Fortuna ist die Göttin des Glücks, die den Freuden und Wünschen des Alltags entsprach; Mars, der römische Kriegsgott, zog mit den Soldaten in Remagen ein. Die Verehrer dieses Gottes schlössen sieh mancherorts zu Bruderschaften zusammen. Die Siegesgöttin Viktoria, mit Siegeskranz und Palmzweig geschmückt, war eine Göttin, die den Bedürfnissen einer Soldatenstadt entsprach. Herkules, der wohl den Beinamen Saxanus hatte, ist der kraftstrotzende Gott, der mit der Keule einen Löwen töten kanin. Der Name kommt sehr häufig in unserem Heimatkreis vor. Die Steinhauer des Brohltales hatten ihrem Felsengott viele Altäre und Reliefs an den glatten Tuffsteinwänden geweiht.
Dolichenusstein
Foto: Stang
Hercules Saxanus ist weder eine germanische, noch eine römische Gottheit. Es liegt nahe, seine Heimat nach dem Orient zu verlegen, besonders nach Syrien. Interessant ist das Bruchstück eines Altares, welches beim Bahnbau im Jahre 1857 oberhalb von Rcmagcn gefunden wurde. Darauf steht eine Weihung für alle Götter und Göttinnen. Dieser Altar wurde wahrscheinlich auch von Beneficiariern geweiht, die mit Sicherheit auf Erfüllung aller Wünsche hofften.
Im 3. und 4. Jahrhundert versank das Römertum als Kulturelement immer mehr. Auch die religiösen Vorstellungen haben sich viel gewandelt. Je weniger die gebildeten Römer an die Götter vom Olymp oder vom Capitol glaubten, je mehr auch im Heere das nationalrömische Element schwand, brachten die orientalischen Truppen und Händler ihre Kulte im Siegeszug auch in unsere Heimat an den Rhein.
Diese Orientalisierung ist eine massenpsychologische Erscheinung der römischen Kaiserzeit. Der außerordentlich gesteigerte Weltverkehr, die Vermischung der verschiedenen Rassen und Völker, all das hat eine Verbreitung und Verschmelzung der religiösen Anschauungen und Kulte herbeigeführt, die in ihrer Art einzig dasteht. Im Mittelpunkt des Offenbarungs-Erlöserglaubens der meisten orientalisch-hellenistischen Mysterienkulte steht ein Gott, der leidet und triumphiert, der stirbt und wieder auferstanden ist, der niedergefahren ist zum Totenreich und dann aufgefahren ist gen Himmel. Man denke an die Klage um Osiris im ägyptischen Isiskult und an das Fest, welches die Mysten des Atthis im März feierten: zuerst eine Trauerklage (Nr. 12 d. Führers) um den Tod und dann die jubelnde Verkündigung seiner Auferstehung. Unsere einheimische Bevölkerung wurde durch die orientalische Invasion schon früh beeinflußt. Ihre kleinen keltisch-germanischen Gottheiten, Heroen, Lokalgötter, Heilgötter, Feld- und Hausgötter genügten ihnen oft nicht mehr. Die Gebildeten verlangten einen Gott, der sich nicht durch Worte beeinflussen läßt oder rachsüchtig ist. Langsam setzt sich in dem religiösen Weltbild der Monotheismus durch. Im Sprachgebrauch spricht man noch von Göttern, man will am alten Volksglauben nicht rütteln. Doch suchten neben dem allgemeinen Götterdienst viele noch die Geheimdienste (Mysterien) auf, zu denen nur Eingeweihte zugelassen wurden. Bei den Mysterien wurde der Glaube an die Unsterblichkeit und an ein schönes Dasein nach dem Tode gepflegt. Zeugen dafür, daß die bedeutenden Mysterienkulte in Remagen bei der Truppe und sicher auch bei der Bevölkerung Anklang gefunden hatten, beweisen einige Göttersteine in unserem Museum.
Dolichenusstein — Nr. 16 d. Führers. — Die Hauptgottheiten der Phönicier und Syrer in Kleinasien waren der Sonnengott Baal und die Erdgöttin Astarte. Als Gott des versengenden Feuers wurde er als Baal und unter dem Namen Moloch im Opfern von Knaben verehrt. Der Siegeszug der kleinasiatischen Kulte zieht sich bis ins 3. Jahrhundert hinein. Die Baale wurden nach den Städten, die ihnen gehörten,
im lateinischen Gewände „Jupiter von Doliche, von Damaskus, von Autioclua usw." benannt. Ursprünglich hatten die Götter Ticrgcstalt. Nach Berührung mit der griechischen Zivilisation thronen sie auf einem heiligen Tier. Der Gott Dolichenus steht auf einem Stier. Seine Symbole der Macht waren Blitz und Doppelbeil. Später wurde er zürn Sonnengott und gewann so eine universale Bedeutung, und sein Kult wurde zur römischen Staatsreligion erklärt. Im Mittelpunkte des Rituals stehen die kultischen Mahlzeiten; dabei verzehren die Gläubigen das dem Gott geheiligte Tier. Zu diesen Festen gehören manche „Wunderlichkeiten und Anstößigkeiten" bis zur Selbstverstümmelung. Auch in Remagen hat wahrscheinlich eine solche Gemeinde bestanden, die von dem „Baalspriester" Arcias Mari n us geleitet wurde. Er hatte den Götterstein den Reitern des Kastells Remagen als Schenkungsurkunde geweiht.
„IN . H . D . D
In h(onorem) d(omus) d(ivinae) /
Arcias Mari / nus sacerdo / s Dolicheni / donum dona / vit equitibus /
c(o)hortis I F(laviae) De / cio et Grato co(n)s(ulibus)" — 250 n. Chr.
Dieser Trachytstcin (85 cm hoch, 52 cm breit und 25 cm dick) wurde in der Nähe
der Kirche im alten Kastell gefunden.
„ . . . zu Ehren des göttlichen (d. h. des kaiserlichen Hauses) hat Arcias Marinus, Priester des Dolichenus, den Reitern der Kohorte I Flavia ein Geschenk gemacht, unter dem Konsulat des Dccius und Gratus."
Atthisstein — Nr. 12 d. Führers. — Bei dem Originalrest einer Steinplatte mit dem Relief eines trauernden Gottes handelt es sich wahrscheinlich um die phrygische Gottheit des Atthis. Häufiger findet man im Rheinland auf Grabsteinen die Figur des Atthis als Symbol der Auferstehung.
Nach der Überlieferung ist Atthis der schöne Sohn der „Großen Mutter" (Mater magna). Deren Kult drang schon im 1. Jahrhundert in Rom ein, wurde Staatskult und verbreitete sich früh über das Rheinland. Die Göttin erscheint als Kybele in Phrygien, als Ma in Kappadokien und Semiramis in Syrien. Sie haust in Bergen und thront auf Löwen.
Ihr Fest wurde mit wilder Musik und Tänzen gefeiert, eine zahlreiche männliche und weibliche Priesterschaft diente ihr.
Neben dem amtlichen Kult der großen Mutter trat mehr und mehr der Glaube an den schönen, gestorbenen, niedergefahrenen und auferstandenen Atthis. Auf ihn wartete man mit religiöser Inbrunst im Frühjahr und feierte am 24. März ein Freudenfest als Symbol des jährlich im Frühling neu erstandenen Lebens mit orgiastischen Kulthandlungen.
Atthis und die Große Mutter hatten wie die Isis ihre Taufe und höheren "Weihen. Die höchste Weihe fand statt in dem Blute eines Opfertieres in der Blutgrube einer „fossa sanguinis", die man außer Ostia in Italien auch bei den Ausgrabungen in Neuß fand.
Mythrasstein — Nr. 7 d. Führers. — Die mächtigste Mysterienreligion war die des Mythras. Die Heimat des Kultes ist das alte Persien. Um das Jahr 1400 vor Christus wird dieser Gott schon genannt und in religiösen Schriften als Gott des Lichtes, des Friedens und eines Wächters der Menschlichkeit gepriesen. Mit der Ausbreitung der Perserkriege gelangte die Verehrung des Mythras in die hellenistische Welt. Später wurde er durch die Seeräuber auf italienischem Boden heimisch. In Italien entwickelte sich die Verehrung zur endgültigen Form eines Myslerienkultes und wurde so zum eigentlichen Konkurrenten des Christentums. Als echte Männerreligion war Mithras bei den Soldaten sehr beliebt. Er war ein Gott des Kampfes, und sein Dienst verlangte wenigstens die männlichen Tugenden der Selbstbeherrschung, Wahrhaftigkeit und Tapferkeit. Am Limes und am Rhein herrschte er fast in allen Kasernen, mit denen die meisten Christen nichts zu tun haben wollen.
Die Frauen waren von den Mysterien des Mythras ausgeschlossen; damit verlor er den Einfluß auf die Frauen, und das wurde ihm zum Schaden. Es standen den Frauen wohl die Mysterien der „Großen Göttermutter" zu Gebote, doch konnten diese das tiefe religiöse Bedürfnis nicht befriedigen. Kein Wunder, daß sich die Frauen damals von der Lichtgestalt des Heilandes angezogen fühlten, weil dieser sich ihrer seelischen Not besonders annahm.
Die Mysterien zur Feier des Mythras beging man in unterirdischen Kulträumen oder Höhlen. Die Gemeinden hatten nie mehr als ungefähr 100 Mitglieder, und wenn die Anhängerschaft eines Ortes wuchs, dann schuf man weitere Mythräen. Aus den Kultstätten, die man in Rom und Capua heute noch in guterhaltenem Zustande betreten kann, sind uns Darstellungen erhalten, die den gefundenen Reliefs von Bonn, Dormagen und Heddernheim völlig gleichen. Die Szene zeigt die große Heilstatt des Mythras, wie er den legendären Stier einfängt und tötet, aus dessen Blut die ganze Schöpfung entstehen soll, die dann durch Mythras von den bösen Geistern erlöst wird.
Auch in der Remagener Truppe, der damaligen Kohorte I Flavia, finden wir Verehrer dieses Kultus, wie uns Göttersteine aus Remagen und Bandorf bezeugen. Vielleicht lag ein Mythrasheiligtum auf dem heutigen Apollinarisberge. Der hiesige Stein wurde auch auf dem großen römischen Friedhof an der Fürstenbergstraße bei den Ausschachtungsarbeiten des Weinkellers Jakob Orth im Jahre 1892 gefunden. Er lag umgestürzt vor einem TurTsteuisarg. Im Jahre 242 n. Chr. wurde dieser Mythrasstein unter dem Konsulat des Praetextatus von dem Landgendarm Marcus Suprinus Felix geweiht. Es ist ein rechteckiger Quader ans Kalkstein, ohne jede Verzierung, der wahrscheinlich als Statuenbasis diente. Ergänzt lautet der Text:
„Deo S(oli) In(victo) M(ithrae)I /
M(arcus) Supenn(ius) / Felix
b(ene)f(iciarius) co(n)s(ularis) /
sacrum Pre/textato co(nsule) /
+ in hunc
tumulo / i —— ".
„Dem unbesiegbaren Sonnengott Mythras weiht der
Gefreite Marcus Superinius Felix (den Altar) unter dem Konsulat des Praetextatus"
+ „in diesem Grab —— ".
Zu beachten ist, daß die Buchstaben ungeschickt nachgeritzt wurden. Die Inschrift am Ende der ersten Zeile ist durch Abschleifen des Gesteins verloren gegangen. Die Kritzeleien in der 4. Zeile sind wahrscheinlich das signum beneficiarii. In der letzten Zeile erkennen wir auf dem römischen Stein eine frühchristliche Grabinschrift, deren Fortsetzung wahrscheinlich auf einem anderen, heute allerdings verlorenen Steine, eingetragen war.
Erlösung und der Aufstieg der Seele zu Gott waren die höchsten Ziele aller Mysterien. Es leuchtet ein, daß in dem Wettbewerb der verschiedenen Kulte, auch des neuen christlichen Kultes, derjenige siegen mußte, der die Heilsbotschaft von der Erlösung und der Auferstehung am wirksamsten zu verkündigen verstand und zugleich die sicherste Bürgschaft für ihre Verwirklichung zu gewähren schien.
Das war aber zweifellos das Christentum. Keine antike Religion war in dem Grade auf die Weltmission angelegt, wie die Religion Jesu. Auch unterschied sich der Erlöser wesentlich von den anderen Mysteriengöttern. Während diese meist Gestalten einer mystischen Vorzeit waren, war dieser am Kreuz geopferte Christengott vor nicht gar langer Zeit leibhaftig unter den Menschen gewandelt und hatte selbst in Knechtsgestalt nicht verschmäht, die frohe Botschaft den Armen und Elenden zu bringen. Was in den Herzen von Tausenden und Abertausenden gärte und nach Entäußerung rang, hier fanden sie es mit hinreißender Gewalt zum Ausdruck gebracht.
Zu der Zeit, als die Mysteriendenkmäler unseres Museums geweiht wurden, hatte sich schon zwischen die römischen Götter des Kapitols und die der Germanen besonders der orientalische Mythras gedrängt. Reißend griff sein Kult um sich und verbreitete sich über das ganze Reich. Er faßte auch in unserer Heimat festen Fuß, wie es die Mythrassteine von Remagen und Bandorf bezeugen.
Im dritten Jahrhundert nahm Mythras den Kampf um die Weltherrschaft gegen Christus auf, am Ende des vierten war er besiegt; aber der Sieger hat auch von dem Besiegten manches übernommen, was ihm zum Mittel der Herrschaft wurde.