50 Jahre Bienenzucht im Kreise Ahrweiler
VON P. A. SCHMITT
Wie ein Wanderer ab und zu zurückschaut auf den Weg, der hinter ihm liegt, um sich zu überzeugen, ob er seine Richtung beibehalten hat, so soll auch dieser Rückblick ein Wegweiser in die Zukunft sein. Sagt doch Fr. W. Weber in Dreizehnlinden:
Da sich die neuen Tage aus dem Schutt der alten bauen, kann ein ungetrübtes Auge rückwärtsblickend vorwärts schauen.
Wie wir heute fast täglich umwälzende Neuerungen erleben, die vor einem halben Jahrhundert noch unmöglich waren, so sehen wir heute auch die Imkerei in einem Zustand, den unsere Ahnen als unerfüllbaren Wunschtraum angesehen hätten. Wissenschaft und Forschung haben dazu wesentlich beigetragen.
Wie war es um die imkerlichen Verhältnisse im Kreis Ahrweiler etwa um die Zeit des ersten Weltkrieges bestellt? Wie sahen die Bienenstände aus ? Welche Bedeutung hatte die Bienenwirtschaft in jenen Jahren?
Die Imkerei befand sich damals meist in den Händen der Eifeler Kleinbauern, die neben ihrer Feldbestellung noch etwas Zeit für ihre Bienen fanden. Wenn auch einzelne Landlehrer schon zu Kästen übergegangen waren, so herrschte doch der Bienenkorb noch vor. Diese Korbe wurden vom Imker selbst aus Roggenstrohwülsten gefertigt und mit gerissenen Brombeerranken gebunden. Die Ausführung erfolgte frei aus der Hand und war deshalb in Gestalt und Größe sehr unterschiedlich. Der Bienenschwarm wurde mit diesen Körben gefaßt und aufgestellt. Die Bienen füllten ihn in wenigen Wochen mit ihren Waben und hatten so für den Winter eine warme Behausung. Sorgte dann noch die Natur und das Wetter für das nötige Futter, so war ihre Existenz soviel wie sicher. Eine Fütterung durch den Imker kannte man noch nicht. Gegen Regen und Schnee bekam jeder Korb noch eine Schutzhaube aus langen Strohbüscheln. Sobald das Frühjahr wieder einzog und die Schwarmzeit begann, vermehrte sich der Bienenbestand auf das doppelte und dreifache. Das lag in der Absicht des Imkers, denn im Herbst, wenn die Bienen „fett" waren, verringerte er die Anzahl wieder auf das normale Maß. Die leichtesten Völker nämlich hätten den Winter nicht überstanden und gaben ihm nun das Wachs. Die schweren mußten ihm die erwünschte Honigernte bringen. Die Arbeit des Ausbrechens der Körbe wurde nur selten vom Imker selbst vorgenommen. Meistens kamen zu diesem Zweck jüdische Händler aus der Zissener Gegend, die den überschüssigen Honig und das Raas, wie man das ausgebrochene Wabenwerk nannte, für billiges Geld aufkauften. Man war zufrieden, wenn man etwas Honig für die eigenen Kinder oder in Krankheitsfällen für sich und den Nachbarn im Hause hatte. Nur selten fiel eine reichere Honigernte an.
Außer den Strohkörben fand man auch Kästen aus Holz und Stroh vor. Sie waren uneinheitlich und willkürlich in ihren Maßen, weder nach den biologischen Gegebenheiten der Bienen noch nach den wirtschaftlichen Gesichtspunkten gebaut. Ihr Innenraum "war meist zu klein und zwang deshalb die Bienen zum Schwärmen. Die dadurch bedingte Kraftzersplitterung und Ertragsminderung nahm der Imker als unabänderlich hin. Zuerst kannte man zur Einfassung der Waben nur Stäbchen (auf der Grafschaft). Diese wurden später um die Seitenteile verlängert (in Bachern). Aber erst das ganze Rähmchen machte die Wabe beweglich.
So ist es nicht verwunderlich, daß man zur damaligen Zeit immer wieder hörte:
Halt Bienen und Tauben,
dann wird dein Geld zerstauben.
Aber auch:
Halt Schaf und Beje,
dabei kannst du leje.
Neuzeitlicher Bienenstand
Diese beiden, scheinbar gegensätzlichen Eifeler Sprüche sind bezeichnend für die damalige Lage der Imkerei. Während der eine Bienenhalter sein Geld aufs Spiel setzte, gewann der andere dabei, ohne sich viel zu regen. Die Ursache dieser Verschiedenheit lag einmal in der Unkenntnis vom Leben des Bienenvolkes, dann aber auch in der Güte einzelner Trachtgebiete. In beiden Hallen aber schwebte über der Imkerei ein jährlich wechselndes Risiko, das kaum auszuschalten war.
Erst als 1925 für die damalige Rheinprovinz in Mayen eine Imkerschule eröffnet wurde und fortschrittlich denkende Imker die dort gezeigte, wissenschaftlich untermauerte Praxis in die Tat umsetzten, begannen sich die Verhältnisse im Kreis Ahrweiler zu ändern. Der Strohkorb wurde, wie der Leiter der Imkerschule Dr. Goetze (später Professor am Institut für Bienenkunde in Bonn) sich ausdrückte, polizeilich verboten. Er ist heute nur noch Symbol der Bienenzucht. Das genormte Rähmchen wurde überall bevorzugt, um endlich von den hundert verschiedenen Maßen abzukommen, die kein rationelles Arbeiten zuließen. Besonders aber bahnte sich eine Umstellung der heimischen Imkerei an durch die Einführung der Magazinbeute, die gegenüber den bisherigen eine wesentlich bessere und schnellere Bearbeitung gestattete. Anfangs, wie so vieles Neue verspöttelt und als rückständig verschrieen, ist sie heute nach 30 Jahren allgemein die Bienenwohnung der Zukunft geworden. Die Bienenvölker sind in diesen Kästen (gleich Beuten) leicht einzusehen, zu beurteilen und zu behandeln. Man kann den Wohnraum gut der Stärke des Volkes anpassen, einengen oder erweitern, wie es nötig ist. Dabei ist der Kasten einfach, so daß er vom Imker selbst hergestellt werden kann. Die Erfolge dieser Beute waren ihre beste Werbung. Sie ist heute auf vielen größeren Ständen im Kreis Ahrweiler vertreten.
Das Magazin hat ungefähr die Hälfte des Gewichtes anderer Beuten und eignet sich vorzüglich für eine Wanderung mit Bienen. Gerade das Verbringen in andere Trachtgebiete ist das erste und beste Mittel, die Erträge zu steigern. Es ist bekannt, daß in den niederen Lagen des Rheintals die Blütezeit viel früher einsetzt als im westlichen höher gelegenen Teil des Kreises. Wenn am Rhein die Apfelbäume sehen verblüht sind, brechen in den Höhengebieten erst zaghaft die Knospen auf. Das klimatische Gefalle von etwa 3 Wochen nutzt der Wanderimker aus, indem er seine Bienen nach der Blüte am Heimstand an geeignete Plätze in der Eifel verbringt. Diese Wanderbewegung setzte im Kreis Ahrweiler Ende der dreißiger Jahre ein, hauptsächlich in das damalige Gelände des Übungsplatzes Ahrbrück. Hier boten sich die besten Gelegenheiten zum Ertrag, da nicht nur die Menschen, sondern auch die ansässigen Bienenstände evakuiert waren. Die Verwilderung des Gebietes war für die angesetzten Bienen nur günstig. Nach der Wiederbesiedlung blieb eine Reihe der Wanderimker der Gegend treu, da hier eine ganz andere Blütenflora gedeiht als am Heimatort. Himbeere, Brombeere, Weißklee, Gamander, Weidenröschen usw. geben von Jahr zu Jahr den Bienen eine fortdauernde Tracht und dadurch dem Ertrag eine gewisse Sicherheit. Aber noch eine andere Art von Bienenwanderung bildete sich im Laufe der letzten 10 Jahre heran: die Wanderung in die ausgedehnten Obstbestände der Grafschaft. Sie dient nicht so sehr der Honiggewinnung, sondern in erster Linie der Befruchtung der Obstblüten. Im Norden unseres Kreises hat sich der Obstbau derart ausgeweitet, daß die Bienen der ortsansässigen Imker die Befruchtung allein nicht vollziehen können. Eine Zuwanderung ist dringend nötig, damit der Obstbau einen weit höheren Ertrag abwirft. Aus einem ersten Versuch vor 12 Jahren mit 12 Bienenvölkern ist inzwischen eine Völkerwanderung geworden von fast 1000 Völkern, und sie steigert sich noch von Jahr zu Jahr.
Eine schwere Belastung drohte der Imkerei des Kreises durch die Ablieferung von Bienen als Reparation an Frankreich. Es kamen laut Vorschrift nur einheitliche moderne Kästen in Frage, die mit guten Rassevölkern besetzt und mit mindestens 25 Pfd. Futter versehen waren. In dem trockenen und heißen Jahr 1947 gab es nur im Frühjahr eine kleine Ernte. Zucker als Ersatz war für Geld und gute Worte nicht zu haben. So mußte der gewonnene Honig wieder an die Ablieferungsvölker eingefüttert werden. Nach den gestellten Bedingungen blieb schließlich die „Ehre" der Ablieferung für den ganzen Kreis am Schreiber dieser Zeilen hängen. Sie erfolgte im September 1947 und als Entgelt wurden 3 Tage vor dem Währungsschnitt 1948 je Volk 63,— Reichsmark überwiesen. Da die Betriebsweise in der neuen Beute des Magazins sich augenscheinlich gut bewährte, wollten viele Imker ihre Fachkenntnisse entsprechend erweitern. Darum wurden Schulungskurse angesetzt, die überall gut besucht und erfolgreich waren, so in Sinzig, Bad Neuenahr, Ahrweiler, Vinxt, Altenahr, Insul, Adenau usw. Durch Einzelvorträge wurde die neue Lehre in den nächsten Jahren immer wieder ergänzt und gefestigt. Besonders ist hier die Ausbildung der Junglehrer und landwirtschaftlichen Berufsschullehrer an der Pädagogischen Akademie in Bad Neuenahr zu erwähnen, die während 3 Jahren in einer Arbeitsgemeinschaft mit Praxis und Theorie der Imkerei vertraut gemacht wurden. So strahlten die im Kreis Ahrweiler erworbenen Kenntnisse ins ganze Land hinaus und können heute noch überall festgestellt werden. Ein weiteres Mittel, die Bienenzucht zu heben, ist die Bienenzüchtung. Wie bei anderen Tieren ist darunter nicht das einfache Halten oder Verjüngen eines Tierbestandes zu verstehen, sondern aus vorhandenem Material durch entsprechende Kreuzung etwas Besseres heranzuziehen. Das bedarf neben eingehender Kenntnis der Materie eines genau festgelegten Zieles, das hier Ertragsleistung heißt. Auf allen ändern Gebieten ist das seit langem eine Selbstverständlichkeit geworden. Bei der Biene war aber der Zuchtgedanke im Anfang so verblüffend, daß viele Imker am Erfolg zweifelten. Es wird zugegeben, daß die Zuchtarbeit bei der Biene mit der bei anderen Tieren gar nicht zu vergleichen ist, da ganz andersartige Vererbungsverhältnisse vorliegen und die Paarung nur bedingt in der Hand des Züchters liegt. Wohl ist „Züchten kein eintägig Heu", aber schon jetzt steht fest, daß durch überlegte Zucht, d. h. durch Zusammenbringen von gekörten männlichen und weiblichen Tieren der Ertrag der Stände um mindestens ein Drittel und mehr gehoben wird. Die aufgewendete Mühe wird also belohnt.
Für die Praxis der Zucht wurde deshalb 1936 im oberen Denntal eine Belegstelle für Königinnen eingerichtet, die eine bienenfreie Umgebung von etwa 3 km haben muß. Ehe diese aber richtig zum Zuge kam, fiel sie wie auch alle umliegenden Dörfer der Räumungsverfügung zum Opfer. Später wurde dann eine anerkannte Belegstelle im Wald zwischen Heimersheim und Königsfeld angelegt. Sie mußte aber nach 25 Jahren aufgegeben werden, weil der bienenfreie Umkreis von anderer Seite durchbrochen wurde. Heute besteht seit 1965 ein entsprechendes Landesgesetz, so daß in Zukunft solche Vorkommnisse unmöglich sind. Es ist erfreulich, daß die Belegstelle für den Kreis Ahrweiler in neuerer Zeit wieder nach dem Denntal verlegt wurde, da dieses Gebiet bestens geeignet erscheint. Hoffen wir, daß dort die Zuchtarbeit die gesteckten Ziele erreicht, damit die Imker den Wert von durchgezüchteten Königinnen erfahren können.
Wer sich der Biene und ihrer Pflege verschreiben will, muß vor allem eine tiefe Liebe zur Natur mitbringen. Interesse allein genügt nicht. Die Imkerei umfaßt ja mehr als nur das Wissen um die Biene. Wind und Wetter, Wald und Wiese, Berg und Tal, Sonne und Regen, Himmel und Erde, kurz die ganze Natur mischt in seinem Fache mit und muß vom Imker beobachtet und berücksichtigt werden. Erst dann, wenn er alle diese oft unberechenbaren Faktoren in Beziehung setzt miteinander, wird er die Breite und Weitläufigkeit seines Berufes erkennen, aber auch seine Schönheit. Herz und Hand, Gemüt und Verstand verlangt die Biene von ihrem Betreuer, und nur wer das zu bieten fähig und bereit ist, der mag sich Imker nennen. Die Biene wird heute in der Öffentlichkeit meist als Objekt für Liebhaberei und als Sport betrachtet. Nur ihr Stachel weiß sich eine gewisse Achtung zu verschaffen. Ihre Notwendigkeit im Haushalt der Natur wird aber von Tag zu Tag mehr erkannt. Schon vor 170 Jahren zeigt Chr. K. Sprengel auf die Wichtigkeit der Biene hin und sagt: „Der Staat wäre gezwungen zur Erhaltung der Natur ein stehendes Heer von Bienen aufzustellen, sollte es keine Imker mehr geben." Wenn auch von diesem und jenem die Bienen nur zum Vergnügen gehalten werden, so muß doch die wirtschaftliche Auffassung der Imkerei den Vorrang haben. Nur nach diesem Gesichtspunkt ist der Nachwuchs zu schulen, denn mit ethischen Werten allein ist „heute kein Hund mehr vom Ofen zu locken". Zeigen wir dem Imker aber die Wege zum wirtschaftlichen Erfolg, so wird auch in Zukunft die Imkerei auf gesunden Füßen stehen.