Das Bachemer Backhaus — ein Zeuge der Dorfgeschichte

VON PAUL JOHANN

Mancher Fremde, der durch Bachem spaziert, bleibt bewundernd stehen und zückt seine Kamera vor dem heimeligen Stückchen Mittelalter, das er da entdeckt hat: das Bachemer Backhaus.

Es wurde 1650 gebaut, in jener kurzen Atempause, die unserer Heimat zwischen dem grauenvollen Ende des Dreißigjährigen Krieges und den neuen Greueln der französischen Raubkriege vergönnt war.

In der hohen Baukunst war das Mittelalter längst durch die Renaissance abgelöst, und an den Fürstenhöfen begann man al barocco zu bauen; aber der Bürger liebte immer noch die Geborgenheit der mittelalterlichen Bauweise. So trägt auch unser Backhaus unverkennbar mittelalterliche Züge.

Es steht an der Westspitze des dreieckigen alten Ortskerns. Das Untergeschoß mit einer Apsis für den großen Backofen ist aus massivem Bruchsteinmauerwerk errichtet; auch die Seitenwände sind aus Bruchstein bis zum Dach hochgezogen, aber die beiden Giebelwände hat man als Fachwerk aufgesetzt. Der Rundung des Backofens an der Nordseite konnte das Fachwerk natürlich nicht folgen, so daß hier die beiden Ecken der Stirnwand über das Untergeschoß hinausragen. Den eigentlichen Schmuck des Bauwerkes aber bildet der überdachte steinerne Aufgang am Südgiebel.

Eine gemauerte Treppe führt zu dem kleinen Gemeindesaal im Obergeschoß. Auf ihre kräftige Brüstungsmauer stützen sich vier Holzsäulen, die das Schutzdach tragen. Ein schmiedeeisernes Gitter mit dem Stadtwappen sperrt auf den untersten Stufen den Zugang. An der Fachwerkwand ist eine verwitterte Holzstatue des hl. Johannes Nepomuk angebracht, die wohl ursprünglich eine Brücke zierte.

Immer wieder bewundert man hier den lebendigen Zusammenklang der alten Handwerkskunst: Über dem gelblichen Bruchstein leuchtet das Weiß des Fach-Werks zwischen den braunen Balken, und darüber schimmern die alten Dachziegel in allen Zwischentönen von erdigem Rot und dunklem Blau. So kündet uns das alte Backhaus in seiner fröhlichen Würde von dem neuen Lebens- und Ordnungswillen eines Dorfes nach der Unordnung des großen Krieges; denn das Backhaus war neben der Kirche der Mittelpunkt des Dorflebens. Im Backraum entstand das tägliche Brot, und im Obergeschoß traf man sich zum fröhlichen Fest.

Der Werktagsraum des Dorfes aber war die Backstube. Wer backen wollte, schleppte frühzeitig seinen Sack Mehl herbei und stellte ihn in die Reihe. Dann sah er sich um, mit welchem der anstehenden Nachbarn er sich zusammentun wollte; denn der Backofen faßte gut 70 Brote, so daß immer zwei Familien zusammen backen konnten. In dem großen Trog wurde der Teig angesetzt und später zu Broten gewirkt. Das Backen war Männersache und forderte gehörige Muskelkraft. Dann war noch der Backofen zu heizen, bis die grauen Tuffsteine in der Hitze weiß zu leuchten begannen. Endlich konnte dann das Brot eingeschossen werden. Und nun hieß es warten, bis die Laibe ausgebacken waren und dampfend herausgezogen werden konnten. Kein Wunder, daß die große Hitze und die langen Wartezeiten gehörigen Durst machten; aber dem konnte man in Bachem schon immer abhelfen. Kein Wunder auch, daß in dieser werkelnden und wartenden Männergesellschaft kein Ereignis der großen und kleinen Politik unberaten blieb, so daß man am Ende nicht mehr unterscheiden konnte: Kam nun die Hitze vom Backofen, vom Rotwein oder von den hitzigen Debatten? Aber der Bachemer Rote macht nicht streitlustig, und so buk und trank und redete man sich am Ende doch wieder zusammen.

Backhaus in Bachem

Eilig hatte man es nur vor den Kirmestagen, da wurde das Kirmesbrot gebacken, und jeder wollte doch noch rechtzeitig an die Reihe kommen. Tag und Nacht qualmte der Schornstein, und eine genaue Rotteneinteilung sorgte dafür, daß jedes Haus zu seinem Recht kam.

Für die Instandhaltung des Backraumes sorgte die Backgemeinschaft selbst. Da gab es einen Backmeister, der von jeder hackenden Familie einen Backzoll erhob. Die Haupteinnahme bildete aber die Verpachtung der Winterweide im Bachemer Tal.

Der kleine Saal im Obergeschoß, der auch im Winter durch den dicken Schornstein, der mitten hindurchführte, angenehm warm war, sah die Dorfgemeinschaft bei fröhlichen Festen. Es gab ja damals noch keine Wirtschaften, die einen eigenen Saal anbieten konnten. So spendete das Backhaus in zweifacher Weise Brot für das Dorf, denn die Freude ist für den Menschen so notwendig wie Brot.

Neben dem Brot für den Leib und dem Brot der Freude für das Gemüt muß hier noch ein drittes Brot genannt werden, das unser Backhaus spendete, das Brot des Geistes. Auf einer Tafel am Eingang des Saales ist erwähnt, daß das Backhaus von 1713 bis 1848 als Schule gedient habe. Für die erste Zahl findet sich zwar in der Schulchronik kein Anhalt; es gab ja damals im Kurstaat Köln noch keine Schulpflicht. Wohl bestanden in Ahrweiler eine Knaben- und eine Mädchenschule, die auch von einzelnen Kindern von Bachem freiwillig besucht wurden. Das änderte sich, als unsere Heimat nach dem Wiener Kongreß an Preußen fiel. Neben dem Preußenbaum, der Fichte, die heute den Reichtum unserer Eifelwälder ausmacht, brachte uns Preußen auch die allgemeine Schulpflicht; zwei Wohltaten, die damals durchaus nicht von allen begrüßt wurden. Zunächst gingen die Bachemer Kinder nach Ahrweiler zur Schule, aber von 1828 an machte die große Zahl der Kinder doch die Einrichtung einer eigenen Schule notwendig.

Und so drängten sich denn von 1828 bis zum Revolutionsjahr 1848 über sechzig Kinder auf dem engen Backhaussälchen.

Noch eine andere Zahl nennt uns die Denktafel: 1814. So großartig uns heute dieses Jahr des Befreiungskampfes gegen Napoleon vorkommt, so hart war damals der „Kosakenwinter", als ein Kommando dieses wilden Reitervolkes im Backhaus sein Wachlokal eingerichtet hatte.

Und danach? Als 1848 die Kinder gegenüber in ihr neues Schulhaus gezogen -waren, wurde es um das Backhaus allmählich immer stiller. Freilich, in der Backstube im Erdgeschoß ging es tagtäglich aus und ein wie im Bienenstock, und auf dem Sälchen mag man noch manches Mal froh gefeiert haben, aber es war für das wachsende Dorf längst zu klein geworden. 1878 entstand der Winzerverein und bot bald der Dorfgemeinschaft einen viel geräumigeren und bequemeren Saal. Zwar renovierte man 1927 gründlich das Sälchen und richtete es als Jugendheim ein; aber ein rechtes Leben ließen die kommenden harten Jahre des Dritten Reiches und des Krieges nicht mehr aufkommen. Die Not der Nachkriegsjahre brachte auch das Backhaus für kurze Zeit wieder zu Ehren. Mit der beginnenden Besserung blieb immer öfter der Ofen kalt. Heute dringt kein Rauch mehr aus dem alten Backhaus, und auch das Sälchen wird kaum je benutzt. Es ist eingeschlafen inmitten der hastigen Zeit, die seine Dienste nicht mehr braucht. Vieles von seiner Schönheit ist abgebröckelt und verblaßt und wartet auf die baldige Renovierung.

Im Dorf und auch in den Herzen der Bachemer hat es noch immer seinen Platz. Mit Stolz und leiser Wehmut sagt man es: Unser Backes! Es war der Ort, wo man noch wirklich „miteinander zu tun" hatte, und wo die Einigkeit des Dorfes täglich „zusammengebacken" wurde. Möge es uns in Bachern auch weiterhin als Denkmal der lebendigen Dorfgemeinschaft erhalten bleiben!