Eine Lackfabrik in Ahrweiler seit 1878

VON ALFRED KLEIN

Die unter der Firma Wirz Nachf. P. A. Jansen in Ahrweiler geführte Lackfabrik wurde im Jahre 1878 durch Wilhelm Wirz gegründet und am 1. Juni 1919 von dem im Januar 1964 verstorbenen Peter Jansen übernommen.

Peter Jansen - 1889 in Duisburg geboren - war schon vor dem ersten Weltkrieg Betriebsleiter einer Lackfabrik in Rheydt. Nach der Genesung von einer im ersten Weltkrieg erlittenen schweren Kopfschußverletzung wurde er Auslands-Generalbevollmächtigter einer Berliner Lackfabrik.

Sein Streben nach Selbständigkeit führte ihn im Jahre 1919 nach Ahrweiler, wo er die vorher erwähnte Lack- und Farbenfabrik erwarb. Peter Jansen brachte das technische Können und das kaufmännische Rüstzeug mit und konnte so den bis zur Übernahme zwar gut geleiteten, aber kleinen Betrieb ausbauen und zu einer neuzeitlichen Fabrik entwickeln.

Die Aufbauarbeit in den ersten 30 Jahren wurde immer wieder erschwert und gestört durch Rheinland- und Ruhrgebietsbesatzung, Inflation, Deflation, Arbeitslosigkeit und Notzeit und schließlich durch den zweiten Weltkrieg. Peter Jansen verstand es, zusammen mit seinem Bruder Wilhelm Jansen, der ihm vom ersten Tage an treu zur Seite stand, allen Schwierigkeiten zum Trotz, ein Werk aufzubauen, welches heute innerhalb der Lackindustrie eine beachtliche Stellung einnimmt.

Die Lackfabrik Wirz Nachf. P. A. Jansen in Ahrweiler ist heute auf das modernste eingerichtet. Ein weiträumiges Laboratorium verfügt über alle nur möglichen Prüf-, Auftrags- und Trockengeräte. Hier entwickeln Chemiker und Ingenieure die Lackerzeugnisse, die sich im Inund Ausland unter der Schutzmarke „AHRLACK" einen guten Namen erworben haben. Die Produktions-, Abfüll- und Versandabteilungen sind mit neuzeitlichen, rationell arbeitenden Maschinen und Geräten ausgerüstet. Zuverlässige Kontrollsysteme bieten die Gewähr, daß nur erstklassige, immer gleich gut bleibende Qualitäten das Werk verlassen. Täglich rollen Kesselwagen, Lastzüge und Bahnwaggons zur Anfuhr der Rohstoffe und Verpackungsmittel und zum Abtransport der Fertigfabrikate in alle Teile der Bundesrepublik und in das Ausland.

Die Erinnerungen der älteren Belegschaftsmitglieder aus den ersten Aufbaujahren hören sich heute wie Märchen an. Damals wurde das Material noch mit Pferd und Leiterwagen herangeholt. Inn jener Zeit ereignete sich auch folgende wahre Begebenheit.

In Köln war eine Leiterwagenladung leerer Kannen abzuholen. Die Belegschaft bestand nur aus wenigen Leuten, so daß jeder, je nach Notwendigkeit, fast jede Arbeit verrichten mußte. Wilhelm Jansen, der Bruder des Inhabers, machte sich also am frühen Morgen mit Pferd, Leiterwagen und Verpflegung auf den Weg nach Köln.

Lackfabrik in Ahrweiler

Gegen Mittag in Köln angekommen, wurden die Kannen, so gut und schnell es ging festgebunden, um dann sofort wieder die Heimfahrt anzutreten. Es mußte auf jeden Fall vermieden werden, in der Dunkelheit durch den damals unheimlichen Kottenforst zu fahren. Das war zu heller Tageszeit schon kein Vergnügen. Deshalb durfte das Pferd auch vor Durchfahren des Kottenforstes nochmals rasten, um dann mit um so größerer Geschwindigkeit die Waldstrecke zu durchqueren. Der Gaul, sonst ein fleißiges und braves Tier, hatte nur eine Unart: Bei lauten Geräuschen scheute er und suchte, vorne und hinten hochgehend, im Galopp das Weite. Wie es das Unglück nun wollte, löste sich einmal bei dem schnellen Trab eine Blechkanne aus der Umschnürung und fiel mit lautem Getöse auf den holperigen Schotterweg. Der Gaul tat das, was man ihm nachsagte: er ging durch. Durch den Ruck und die größere Geschwindigkeit auf der schlechten Wegstrecke geriet die Ladung vollends durcheinander. Es fiel jetzt eine Kanne nach der anderen herunter, und mit jedem Gepolter wurde der Gaul scheuer und vergrößerte sein Tempo. Erst eine gute Strecke hinter der letzten heruntergefallenen Kanne hielt der Gaul, wohl mehr erschöpft als beruhigt, in Meckenheim an. Was blieb dem Wagenführer anderes übrig, als die ganze Wegstrecke zurückzufahren und die Kannen einzeln aufzusammeln. Erst am späten Abend - nach viermaliger Durchquerung des gefürchteten Kottenforstes - trafen Mann, Roß und Wagen geschlagen in Ahrweiler an.

Die verflossenen Jahrzehnte, in denen sich Peter Jansen seinem Werk widmete, waren nicht nur durch Aufbausorgen und allgemeine wirtschaftliche und politische Wirren gekennzeichnet. In dieser Zeit fanden auch umwälzende und revolutionierende Neuentwicklungen auf dem Gebiet der Lackherstellung in der europäischen und deutschen Lackindustrie statt.

Die Lackindustrie hat eine sehr alte Tradition. Als die ersten Europäer 1515 in China landeten, konnten Chinesen und Japaner bereits auf eine etwa 2000 Jahre alte Erfahrung zurückblicken. Damals wurde der Lack aus dem Milchsaft der Rinden des japanischen Lackbaumes (Rhus vernicifera) gewonnen. Dieser Lack wurde in 20 bis 30 hauchdünnen Schichten auf Geräte aller Art aus Holz, Metall, Ton und Leder aufgetragen. Angeregt durch die Einfuhr fertiger Lackwaren aus Ostasien, wurde auch in Europa die Lackentwicklung intensiver betrieben. Hier experimentierte man zu dieser Zeit mit heimischen Naturharzen und Ölen.

Die Entwicklung einer europäischen Lackindustrie begann zu Anfang des 18. Jahrhunderts. Bis zum Weltkrieg wurden für die Herstellung von Lacken Naturharze, Asphalte und Öle verwendet. Die bereits erwähnten revolutionierenden Neuentwicklungen setzten nach dem ersten Weltkrieg ein. Es wurden ganz neue Lackrohstoffe (wie z. B. Nitrozellulose, synthetische Lackharze, Alkydharze) auf-den Markt gebracht, die es ermöglichten, Lacke für jeden nur denkbaren Verwendungszweck zu entwickeln und anzubieten. Dieser Entwicklung - die immer noch weiter vonstatten geht - ist es zu verdanken, daß die Lackierung in unserer hochentwickelten Technik heute eine Schlüsselstellung einnimmt und nicht mehr wegzudenken ist.

Wo wir gehen und stehen, stoßen wir auf schmückende und schützende Lackierungen und Anstriche. In Abwandlung des Wortes „Kleider machen Leute" kann man von lackierten Dingen sagen „Der Lack macht's". Das Lackkleid spielt für viele Gegenstände unseres täglichen Bedarfes, besonders für langlebige Gebrauchsgüter, eine ausschlaggebende Rolle. Ganz abgesehen davon, daß eine gute Lackierung die Lebensdauer unserer Gebrauchsgüter, unserer Wohnungen usw. erheblich verlängert und damit der Erhaltung unseres Volksvermögens dient.

Lack dient auch wertvollen Industrieanlagen als Korrosionsschutz; er gibt den eleganten Karosserien moderner Verkehrsmittel letzte Vollendung. Die Anführung augenfälliger Beispiele kann ebenso beliebig vermehrt werden, wie die Aufzählung von Lackierungen, die vielen Menschen nicht so bekannt sind, wie etwa die Lackanwendung in Elektromotoren (Isolierlacke) oder in Konservendosen. Selbst auf dem Gebiet der Raketentechnik und Raumfahrtforschung ist der Lack ein unentbehrliches Hilfsmittel bei der Herstellung von Flugkörpern und für die Imprägnierung von Raumfahrtanzügen.

Die Lackfabrik Wirz Nachf. P. A. Jansen, die heute eine Belegschaft von 160 Menschen zählt, hat mit der Entwicklung Schritt gehalten. Sie hat sich das Prinzip des verstorbenen Peter Jansen zu eigen gemacht: „Nur erstklassige Qualitätslacke herzustellen und verkaufen." Dieser Einstellung ist es zu verdanken, daß „AHR-LACKE" über die Grenzen des Bundesgebietes hinaus einen guten Ruf haben.