Schuld, seine vier Hundertschaften und seine drei Grundherren

VON  J A K O B  R A U S C H

Die fränkischen Gaue zerfielen in Hundertschaften. Jede Hundertschaft zählte durchweg hundert freie Bauern. Der Vorsteher einer Hundertschaft hieß Centenarius, hunde, hunne, huone, honne . . . Später aber waren dem Centenarius, dem Honnen, aber keine hundert freie Bauernhöfe mehr unterstellt. Er war nur Unter-Richter und Verwalter eines kleinen Bezirkes. So zählten die vier Hundschaften von Schuld insgesamt keine hundert Bauern.

Zu den vier Hundschaften von Schuld gehörte das ganze Kirchspiel mit den Orten Schuld, Insul, Harscheid, Sierscheid, Schornkapelle 'und Winnerath.

Da das Hauptgericht der vier Hundschaften in Schuld tagte, so liegt es nahe, den Namen „Schuld" vom Gerichtswesen herzuleiten, so wie der Name „Schultheiß" (Scholtes, Schulze) tatsächlich davon seine Bezeichnung hielt.

Gerhard Mürkens aber gibt uns in seiner interessanten und aufschlußreichen Schrift „Die Ortsnamen des Kreises Ahrweiler" auf Seite 32 eine andere, wohl zutreffende Erklärung. In der Grenzbeschreibung des Pfarrbezirkes Reifferscheid aus dem Jahre 975 heißt der Ort „Scolta", und im 13. Jahrhundert wird er „Scoulta" genannt.

In diesem Wort stecken zwei Stämme: Scolt und aha. Scolt = krumm, aha (Ahr) = fließendes Gewässer.

Also heißt „Scolta" = krumm fließendes Gewässer. Ja, die fast zwanzig Meter über dem Fluß liegende Dorfterrasse zwingt die Ahr zu einer Krümmung, zu einer Schlinge,. zu einem Mäander.

Schuld gehörte, wie auch Adenau, seit der Frankenzeit zum Eifelgau. Nach Zerfall der Gauverfassung wurden um das Jahr 1100 die Grafen von Are Landesherren. Als die Grafschaft Are um 122o in drei Grafschaften: 1. Are (Altenahr), z. Nürburg und 3. Neuenahr zerfiel, blieb Schuld bei der Grafschaft Nürburg. Während die Grafschaft Are durch Erzbischof Konrad von Are-Hochstaden schon 1246 zum Erzstift Köln kam, fiel die Grafschaft Nürburg durch Aussterben dieses Grafengeschlechtes erst 1276 an das Erzstift. So waren die Erzbischöfe von Köln 1276 bis 1794 bzw. 1803 auch die Landesherren von Schuld. Schuld unterstand dem kurkölnischen Amtmann von Nürburg. Auch die Schultheißenämter Adenau, Reifferscheid mit Vogtei Barweiler, Welcherath und Ürsfeld und die Unterherrschaft Kaltenborn mit der Hohen Acht gehörten zum Amte Nürburg.

Außer dem Kölner Erzbischof verzeichnet das Schulder Weistum vom Jahre 1368 noch zwei weitere Grundherren: den Domdechanten von Köln und den Ritter Rollmann von Sinzig.

Schon im Anfang des 13. Jahrhunderts übertrug Erzbischof Engelbert I. den Zehnten von Rodungen an dem Schulder Walde dem Domstift. Ebenso wie die Kölner Domherren den „St. Peter" in Walporzheim besaßen, so gehörten ihnen auch bis zur Franzosenzeit (1794) diese Rechtsame in Schuld. Rechtsnachfolgers des Ritters Rollmann von Sinzig wurde Ritter Rollmann von Dadenbergh, der aber seinen Anteil 1387 an das Johanniterhaus in Adenau verkaufte. So waren im späten Mittelalter bis zur Neuzeit der Erzbischof von Köln, der Dechant des Domstiftes und der Johanniterorden in Adenau die Herren der vier Hundschaften von Schuld.

Schuld an der Ahr
Foto: H. Esch

Im Düsseldorfer Staatsarchiv befindet sich ein Weistum der vier Hundschaften Schuld aus dem Jahre 1368.

  1. Demgemäß wurde das Hochgeding am Tage nach St. Johannis (z4. 6.) gehalten.
  2. Als Vertreter des Erzbischofs Coene von Valkenstein waren zugegen der Amtmann von Nürburg, Edelherr Dietrich von Broich zu Daun und seine beiden ihm unterstellten Truchsessen Konrad von Abthusen und Cruse von Daun.
    Das Kölner Domstift war vertreten durch Dechant Edelherr Simon von Solnisse. Wilhelm Rollmann von Sinzig vertrat seine und die seines jülichschen Lehnsherren.
    Hier, am 25. Juni, handelte es sich
    um ein feststehendes, also „unaufgebotenes" Ding, wozu nicht besonders eingeladen wurde.
  3. Sollte aber zudem noch ein „aufgebotenes" Ding stattfinden, dann hat der „Oberhonne" von Schuld nach Beratung mit den drei Herrschaften an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen nach dem Hochamte in Schuld das „Ding aufzurufen. Am Morgen des Dingtages läßt er dreimal die Glocken läuten, für jeden Herrn einmal.
  4. Das Kirchspiel zahlt 3,5o Mark Gerichtskosten. Jeder der drei Herren erhält eine Mark, die drei Knechte der Schultheißen erhalten jeder 2 Schilling.
  5. Die drei Gerichtsherren haben gleichen Anteil an der Fischerei, den Maihämmer und dem Wildbann.
  6. Wird in den vier Hundschaften das „feiantgeschrei" anläßlich eines Unheiles (Brand, Wassernot, Raubgesindel) erhoben, so haben sich die Männer auf dem „Huesten" einzufinden; sie haben den Anweisungen des Nürburger Amtmannes zu folgen. Jedoch kehrten die Männer am gleichen Tage vor Sonnenuntergang in ihre Häuser zurück.
  7. Werden auf dem Schloß Nürburg Bauarbeiten vorgenommen, .so sind die Bauern der vier Schulder Hundschaften verpflichtet, den Sand nach Nürburg zu fahren. Wer sich an diesem Fahren beteiligt, ist im Laufe des Jahres von weiteren Frondiensten befreit.
  8. Die Bewohner der vier Hundschaften besitzen dieselben Rechte und Freiheiten wie die Leute von Nürburg.
  9. Wird in den vier Hundschaften ein Missetäter ergriffen, so wird er zunächst in das Burggefängnis der Nürburg gebracht. An dem von drei Herren festgelegten Gerichtstage wird der Missetäter nach Schuld geführt; wo unter der Gerichtslinde drei Herrenbänke stehen.
    Zunächst richten die Geschworenen aus den vier Hundschaften über „die mißtätigen Leute nach ihrem Wirken und Verdient", und dann sollen die drei gleichrangigen Herren das Urteil fällen.

Dieses Weistum von 1368 ist in einer Abschrift von 163i erhalten, die zwei Juristen herstellten. Es sind dies der öffentliche Notar Hilger Gürtzgen und der Notar Adolf Karch, der zugleich auch Aktuarius des Kölner Domstiftes in Schuld und Prätor (Amtmann) in Gelsdorf war.