Schloß
und Herrlichkeit Vischel
Von J. Rausch
Im stillen, unter Landschaftsschutz stehenden Vischeltale liegt der Pfarrort Vischel mit der Pfarrkirche und einem adeligen Herrensitze. Der Ort gehört heute zur politischen Gemeinde Berg. Die ehemalige „Herrlichkeit Vischel" war ein Burglehn von Altenahr. Sie bestand aus dem gleichnamigen Schlosse mit 88 Morgen Ackerland und Wiesen, einer Mühle, beträchtlichen Waldungen und aus den vier Dörfern Krälingen, Häseling, Vellen und Berg, die im 17. Jahrhundert insgesamt 50 größere und kleinere zinspflichtige Höfe zählten, zu denen etwa 900 Morgen Land gehörten. Der Herr von Vischel hatte die hohe und niedere Gerichtsbarkeit über seine Untertanen, die von einem herrschaftlichen Schultheiß, später Vogt genannt, gehandhabt wurde. Die Herrschaft Vischel besaß auch 6 Morgen Weingärten in Altenahr und ein Burglehen in Rheinbach.
Der Ort Vischel wird bereits im Güterverzeichnis von Prüm 895 erwähnt; das Kloster hatte einen reichen Besitz im „Wizssele".
Das Prümer Güterverzeichnis vom Jahre 893 gibt das Prümsche Herrengut an mit 181 Morgen Acker, Wiesen mit einem Ertrag von 100 Fuder Heu, Wald für die Mast von 300 Schweinen und 1 Mühle. Außerdem besaß Prüm 31 1/2 Diensthufen, das sind über 31 Höfe mit wenigstens je 30 Morgen Land. Jeder dieser hörigen erbuntertänigen Höfe mußte jährlich abgeben: 1 Schwein, 2 Hühner, 10 Eier, 1 Pfund Flachs und 5 Karren Holz. Jedoch brauchten sie später statt des Schweines nur den Geldwert von 12 Pfennigen zu entrichten.
Man ersieht daraus den hohen Wert eines Pfennigs. Aber auch bei der späteren Geldentwertung blieb der Abgabepreis von 12 Pfg. bestehen. An Frondiensten mußte jeder Hof leisten:
1. Er mußte 3 Morgen Herrenland pflügen und eggen. Saat und Ernte geschahen durch Knechte und Mägde des Herrenhofes.
2. Er mußte jährlich 2 Nachtwachen halten, um die Ernte des Herrenhofes vor Feuer und Dieben zu schützen.
3. Im Herrengarten arbeitete er jährlich einen Tag.
4. An 2 Tagen des Jahres unternahm er Frondienstfahrten für das Kloster Prüm.
Also brauchte er im ganzen Jahre nur 6 Tage und 2 Nächte Frondienste zu leisten. Prüm trat durch Tausch die Güter in Vischel im 11. Jahrhundert an die Grafen von Are ab. Auch hatte der Kölner Erzbischof in Vischel Gerechtsame, die er um 1100 dem Stifte in Münstereifel teilweise abtrat. So erhielt dieses Stift den Neubruchzehnten und mit dem Patronatsrecht den Kirchenzehnten. Mit der Herrschaft selber war zunächst ein Adelsgeschlecht von Vischel belehnt. Im letzten Teil des Investiturstreites wurde das Schloß Vischel 1115 zerstört, aber von dem Lehnsherrn, den Grafen von Are, bald wieder aufgebaut. Schon 1180 hatte der Kölner Erzbischof den Ort Vischel mit Schloß und Kirche von den Grafen von Are als Allod erworben.
Die Herrlichkeit Vischel fiel im Jahre 1246 mit der ganzen Grafschaft Are durch den Erzbischof Konrad von Are=Hochstaden an das Erzstift Köln, bei dem es bis 1794 verblieb. Kurköln belehnte am 24. Januar 1364 mit der „Herrlichkeit Vischel", den Ritter Heinrich von Gymnich; seine Nachkommen besaßen die Herrschaft über 400 Jahre. Der Enkel Heinrichs von Gymnich geriet mit seinem Lehnsherrn, dem Erzbischof von Köln, vor 1400 in eine blutige Fehde, in der der Erzbischof das Burghaus Vischel niederbrechen ließ. Erst 1399 gestattet der Erzbischof den zweiten Wiederaufbau des Burghauses.
VISCHEL HOF
Auch ein Erbschaftsstreit brachte Unruhe in die „Herrlichkeit Vischei". Johann von Gymnich, der in der Mitte des 16. Jahrhunderts Herr der „Herrlichkeit" war, hatte, da er keine Söhne besaß, einen Vetter Adolf von Gymnich, Amtmann zu Kempen, als Erben eingesetzt. Adolf und sein Sohn Werner erhielten auch 1536 und 1554 die kurkölnische Belehnung. Gegen diese Erbregelung Johannes von Gymnich protestierten die männlichen Nachkommen seiner beiden Schwestern. Die ältere Schwester Margaretha war an Johann von Vlatten und die jüngere an Johann von Heimbach vermählt.
Der Sohn Johannes von Vlatten setzte sich mit Waffengewalt in den Besitz des Schlosses, aber die Brüder Werner und Hermann von Gymnich warfen den Eindringling gewaltsam wieder hinaus.
Da schritt der Kurfürst von Köln als Lehnsherr ein, er verbot den Austrag der Fehde mit der Waffe und nahm die Herrlichkeit Vischel bis zum gütlichen oder rechtlichen Austrag des Erbstreites in Beschlag und Verwaltung.
Durch rechtlichen Austrag kamen die Brüder Werner und Hermann von Gymnich wieder in den Besitz der Herrlichkeit. Bei dem friedlichen Teilungsvertrag von 1561 erhielt der jüngere Hermann die Herrschaft Vischel, Werner von Gymnich, jülischer Marschall und Amtmann zu Heinsberg, erhielt die Herrschaft Gymnich und wurde Stifter einer eigenen Linie.
Die Nachfolger Hermanns von Gymnich regierten noch über 200 Jahre segensreich in der Herrlichkeit Vischei. Jedoch kam es im 18. Jahrhundert abermals zu einem Erbschaftsstreit. Carl Caspar Wilhelm von Gymnich, Domherr zu Mainz, erbte von seinem kinderlosen Bruder 1719 das Lehen, er übertrug dasselbe 1737 einem Nachkommen des obengenannten Werner von Gymnich, dem Freiherrn Carl Otto Theodat von Gymnich zu Gymnich. Gegen diese Übertragung protestierten wieder die Nachkommen von Töchtern aus der Hermannschen Linie von Vischel. Es waren dies der Freiherr von Waldenburg, von Ruhr, von Drove und von Dalwick. Aber ihr Einspruch hatte keinen Erfolg. Daher wurde der Freiherr von und zu Gymnich bereits 1733 und zuletzt nach 1785 mit der Herrlichkeit Vischel belehnt. Der Belehnte war kurkölnischer Staatsminister und Amtmann zu Liedberg. Mit seinem Sohne Clemens August, Kaiserlicher=Königlicher General=Major und Kämmerer, sowie Kur= und Mainzischer General en Chef und Gouverneur der Stadt Mainz, der 1786 die Belehnung von Vischel erhielt, erlosch 1806 die männliche Linie der Familie der Freiherren von und zu Gymnich und Vischel. Das Erbe erhielt seine Schwester Johanna Maria (t 1825). Durch den Zusammenbruch des feudalen Regimes um 1800 wurde die Herrlichkeit Vischel dem Kanton Ahrweiler und dem französischen Staate, 1815 dem Kreis Ahrweiler und dem preußischen Staate einverleibt. Jedoch bleibt die Burg Vischel mit den umliegenden Ländereien Privatbesitz der Freiherrn von Gymnich. Johanna Maria hinterließ Burg Vischel 1825 dem Grafen Max Felix Wolff=Metternich zu Gracht, der eine Sonderlinie der Wolff=Metternich zu Gymnich, Nörvenich, Dür= boslar und Vischel begründete. Der mittelalterliche Burgbau, der schon in der Ba= rockzeit eine Stiländerung erfahren hatte, wurde 1829 von dem Grafen Wolff=Metternich erneuert. Noch erkennt man die mittelalterlichen Fundamente und den tiefen, künstlich eingeschnittenen Burggraben. Mit dem Tode des Grafen Dietrich von Wolff-Metternich 1902 kam Burg Vischel an seine Schwester Vilma Vicomtesse de Maistre. So ist diese Linie noch Erbe und Besitzerin des Blutes und des Gutes jenes berühmten niederrheinischen Adelsgeschlechtes von Gymnich, das auch in unserer Heimat segensreich wirkte.
Das angesehene Geschlecht von Gymnich war auch versippt und verschwägert mit den rheinischen Adelsgeschlechtern unserer Heimat, nicht nur mit den Wolff=Metternich, sondern auch mit den Grafen von Neuenahr und Saffenburg, mit denen von Orsbeck, von der Forst, von Beissel, von Blankart, von der Leyen und mit den Walpoten von Bassenheim, von Kessel, von Herresdorf, von Weiß, von Vlatten, von Raitz und von Frentz.
Stiller wird es dann um das Herrenhaus Vischel, da der Pfarrer von Vischel das neue Pfarrhaus von Freisheim bezog und die Höhendörfer Krälingen, Berg, Freisheim, Häseling und Vellen nun nicht mehr allsonntäglich zur trauten alten Pfarrkirche Vischel hinuntersteigen, sondern in den Bergdörfern ihren Gottesdienst besuchen. Halbverwaist ist nun die Kirche in Vischel, die schon vor 1222 im romanischen Stil entstand und 1773 erneuert wurde. Im 18. Jahrhundert wurde die einschiffige Kirche nach Westen durch zwei Achsen erweitert, so daß das Langhaus fünf Achsen zählte. Möge es dieser fast tausendjährigen Pfarrkirche nicht ergehen wie den bei= den ehemaligen Rittersitzen Tungenberg im Walde bei Vischel und Eitgenbach im Tale unterhalb von Vischel; diese zwei Rittersitze sind untergegangen.
In der trauten Pfarrkirche Vischel möge aber auch bis in die ferne Zukunft leuchten das „Ewige Licht" zum Zeichen, daß auch hier fernerhin wohnen wird die Quelle unseres Glaubens, die Säule unseres Hoffens und das Licht der Liebe. Hier möge auch weiterhin wohnen per omnia saecula saeculorum der göttliche Heiland, der von sich sagte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!"