Die Apollinariskirche in Remagen -

Bedeutung und Restaurierung

Dr. Paul-Georg Custodis

Aus drei Gründen sind die Apollinariskirche und die seit über 15 Jahren dort betriebenen Restaurierungsarbeiten bedeutend:

1. Kurz vor der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auf dem Apollinarisberg über Remagen nach Plänen des Kölner Dombaumeister Zwirner eine große Wallfahrtskirche erbaut. Diese Kirche ist der bedeutendste Sakralbau der Neugotik im Rheinland. Ihre besondere Stellung in der Kunstgeschichte leitet sich aus der Verbindung zur Vollendung des Kölner Domes im 19. Jahrhundert und durch die Ausmalung der „Nazarener" ab.

2. Seit 1985 wird an dieser Kirche ein umfangreiches Restaurierungsprogramm durchgeführt. Das Bauvolumen beläuft sich inzwischen auf über 8,0 Millionen DM und wird jährlich durch hohe Zuschüsse des Landes Rheinland-Pfalz, der Bundesrepublik Deutschland, des Bistums Trier, des Franziskanerordens, des Kreises Ahrweiler und der Stadt Remagen sowie seit 1998 der Deutschen Stiftung Denkmalschutz aufgebracht.

3. Diese Arbeiten wurden durch umfangreiche Forschungen des Landesamtes für Denkmalpflege begleitet. Hierzu konnten Bauakten und Planungen für die Kirche und das geplante Schloss, die als Teil des Privatarchivs Fürstenberg-Stammheim bei der Rheinischen Archivberatungsstelle in der Abtei Brauweiler deponiert sind, dank freund- lichen Entgegenkommens von Baron Franz Hermann v. Fürstenberg-Stammheim ausgewertet werden. Die Ergebnisse sollen in Kürze durch das Landesamt für Denkmalpflege publiziert werden.


Westfront 1978 mit Fragmenten der Fialen


Westfront 1995 restauriert

Die Wallfahrten

Bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts lassen sich die Wallfahrten zur Verehrung des hl. Apollinaris nach Remagen zurückverfolgen. Man wählte einen einzigartigen Platz oberhalb des Ortes Remagen, an dem vielleicht bereits im Altertum Götter und Geister verehrt worden waren und auf dem bereits seit dem 6. Jahrhundert eine Kirche des hl. Martin stand. Hier ließ die Benediktinerabtei Siegburg in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine kleine Kirche mit anschließendem Benediktiner­ Kloster errichten. Der einschiffige Bau war, durch die Hanglage begründet, über einer Krypta erbaut worden.

Im Jahre 1164 überführte der Kölner Erzbischof Reinald von Dassel in diese noch sehr neue Kirche die Reliquien des hl. Apollinaris, als er aus Mailand die Gebeine der „hl. Drei Könige" nach Köln überbrachte. Die Legende sagt, dass Remagen deshalb hierfür ausgewählt worden war, weil das Schiff bei der Fahrt auf dem Rhein hier von sich aus anhielt. Über 600 Jahre war der „Apollinarisberg", wie er nun genannt wurde, Ort frommer Wallfahrten der Bevölkerung vom Rhein und den benachbarten Regionen. 1793 wurde die Kopfreliquie zum Schutz vor französischen Truppen nach Siegburg ausgelagert. Das Kloster wurde im Jahre 1802 aufgelöst. 1807 kamen Kirche und Klostergebäude in den Besitz der Brüder Boisserée und im Jahre 1838 durch Kauf an den Grafen Franz Egon von Fürstenberg-Stammheim. Dieser wollte mit dem Kauf des Berges und der Kirche die unterbrochene Tradition der Verehrung des Kopfreliquiares wieder aufleben lassen. Zudem sollte die Krypta der Kirche fortan zur Gruft für die Toten der Familie werden. Auf Betreiben der Grafen von Fürstenberg-Stammheim kamen im Jahre 1857 nach Fertigstellung der Kirche und der Ausmalung Franziskaner- Patres auf den Apollinarisberg. Ihre besondere Aufgabe waren Predigt und Pflege der Wallfahrt zum heiligen Apollinaris. Seit dieser Zeit finden bis zum heutigen Tage mehrfach im Jahr Wallfahrten nach Remagen statt.

Die neue Kirche

Zunächst wurde eine Neuausmalung der alten Kirche erwogen und die Künstler Ernst Deger, Andreas und Karl Müller sowie Franz Ittenbach damit beauftragt. Doch musste Fürstenberg dieses Ziel bald auf Grund des bautechnisch schlechten Zustandes der Kirche fallen lassen, zumal Bauinspektor Johann Claudius v. Lassaulx erhebliche Schäden an deren Fundamenten festgestellt hatte. So fasste Fürstenberg 1838 den Beschluss zum Abbruch und ließ sich noch im gleichen Jahr von dem Düsseldorfer Architekten Rudolf Wiegmann und dem Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner Entwürfe zum Neubau der Kirche ausarbeiten. Zwirners am Kölner Dom orientierte Planungen trugen über eine Lösung im Rundbogenstil von Wiegmann den Sieg davon. Baron Egon v. Fürstenberg beauftragte Zwirner daraufhin mit dem Bau einer neuen Wallfahrtskirche und beabsichtigt daneben auch den Bau eines kleinen Schlosses.

Ernst Friedrich Zwirner war im Jahre 1833 nach Köln berufen worden, um den Ausbau des Domes zu leiten. Er hatte an der Berliner Bauakademie studiert und war darüber hinaus durch unmittelbare Zusammenarbeit mit Karl Friedrich Schinkel geprägt worden. Als Grundlage für einen Weiterbau des Kölner Domes im Sinne des Mittelalters dienten ihm der von Georg Moller 1814 wiedergefundene mittelalterliche Riss des Nordturmes der Westfassade und sein 1816 von Sulpiz Boisserée in Paris gefundenes Pendant für den Südturm. Durch seine zentrale Bedeutung als nationale Bauaufgabe trug der Domausbau wesentlich zur Verbreitung der Neugotik im deutschen Sprachraum bei.

Zwirner gab der Apollinariskirche den Grundriss eines griechischen Kreuzes mit vier gleichen Armen. Westfront und Chor sind jeweils von einem Turmpaar flankiert. Die Teile der alten Kirche wurden so gründlich beseitigt, dass heute nur noch einige romanische Kapitelle im neu eingerichteten Lapidarium unter der Kirche davon zeugen.

Die Entwurfskonzeption der Kirche wird in der Forschung als eine Mischung aus Einflüssen früher Neugotik nach Schinkels Interpretation und hochgotischen Details nach Kölner Vorbild gesehen. Auffallend ist zum einen die Ähnlichkeit zwischen der kubischen Eingangsfront der Apollinariskirche und Schinkels 1830 vollendeter Friedrich-Werderscher Kirche in Berlin. Zum anderen sind die direkte Übernahme von Details des Kölner Doms und deren freizügige Applizierung im Sinne einer reichen Turm- und Dachlandschaft bemerkenswert. Die Giebelabschlüsse der drei Schiffe tragen Blendmaßwerk und Krabben und enden in großen Kreuzblumen. Die fünf Seiten des Chores wurden durch Wimperge betont.

Südwestlicher Turmhelm vor der Restaurierung

. . . nach der Restaurierung, 1995

Als wohl eindrucksvollste Schmuckformen der Kirche sind die filigranen Maßwerkhelme der vier Türme zu bezeichnen, die so entscheidend zu deren schwebendem Eindruck im Rheinpanorama beitragen. Es gehört zu den Merkwürdigkeiten des Bauwerkes, dass einige entscheidende Schmuckteile wie die umlaufenden Maßwerkbrüstungen, die Helme der Westtürme und die Gitter im Inneren der Kirche in Gusseisen hergestellt wurden. Dieses Eisen stammte nicht, wie bisher in der Literatur zu lesen, aus der Sayner Hütte, sondern aus der Isselburger Hütte bei Rees am Niederrhein.

Im Übrigen ließ Zwirner die Apollinariskirche in heimischen Natursteinmaterialien errichten, den Sockel in Grauwackeschiefer, das aufgehende Mauerwerk in Tuffstein. Die reichen Zierformen der Fialen, Maßwerke und Giebelabschlüsse wurden aus gelblichem Sandstein geschlagen.

Das Innere

Seit dem Erwerb des Apollinarisberges war es das erklärte Ziel des Grafen Franz Egon von Fürstenberg-Stammheim, in der Kirche der Malerei der später als „Nazarener" bezeichneten Gruppe Düsseldorfer Künstler Raum zur Darstellung zu geben. Der Neubau bot durch große Wandflächen hierfür ideale Voraussetzungen. Nach einem einheitlichen Programm wurden hier in den Jahren 1843-1853 Szenen aus dem Leben Christi und der Mutter Maria sowie des heiligen Apollinaris dargestellt. Karl Deger malte hierbei die großen Bilder auf den Wandflächen der Nordseite mit Themen aus dem Leben Christi sowie das Bild in der Apsis, Karl Müller bemalte die gegenüberliegenden großen Flächen auf der Südwand mit Themen aus dem Leben der Maria. Die restlichen, kleinteiligen Flächen teilten sich Andreas Müller und Franz Ittenbach. In diesem Malerei-Zyklus der Kirche sollte eine seit Jahrzehnten gehegte Vorstellung verwirklicht werden. Die Fresko-Malerei sollte wieder belebt werden „so wie sie zu Zeiten des großen Giotto bis auf den göttlichen Raffael in Italien war", wieder zu beleben.

Auch die Ausstattung war nach Entwürfen von Zwirner gestaltet und von Künstlern aus dem Umkreis der Kölner Domwerkstatt, vor allem dem Dombildhauer Christoph Stephan, gestaltet worden. Dies galt für den Entwurf von Fenstermaßwerk und Kapitellen ebenso wie für Beichtstühle, Orgelprospekt, Kanzel und Bänke.

Restaurierungen des Äußeren

Während sich die Kirche 150 Jahre nach ihrer Fertigstellung in ihrer tragenden Substanz unverändert als standfest und solide herausgestellt hat, war der bildhauerische Zierrat starkem Verschleiß unterworfen. Ab 1919 wurden daher umfangreiche Steinauswechslungen am Außenbau vorgenommen. Hierbei wurden an den Westtürmen Kreuzblumen, Fialen und Krabben ersetzt. Die Arbeiten am Außenbau zogen sich bis in die späten 30er Jahre hin und hatten einen derartigen Umfang, dass ein Zeitungsbericht vom März 1939 zwar von einer „völligen Restaurierung" sprach, aber bereits auf neue Schäden am Außenbau verwies.

Seit Kriegsende hatten sich immer wieder starke Schäden am Außenbau gezeigt. Insbesondere bestand die Gefahr, dass bei den immer noch starken Wallfahrten Pilger und Besucher durch abstürzende Steine aus der Dachzone gefährdet würden. So nahmen Mitglieder des Klosters um 1954 zur Gefahrenabwehr umfangreiche Teile des Zierrates ab. Hier mag aber auch die geringe Wertschätzung der Neugotik als künstlerische Leistung das Motiv gewesen sein. Um 1963 wurden in größerem Umfang eine Sicherung der Chortürme sowie eine Ausbesserung der Dacheindeckung durchgeführt. Doch eine Reparatur und Ergänzung der Werksteine musste aus Kostengründen unterbleiben.

Zu Beginn der 1980er Jahre hatten sich die Schäden durch herabfallende Teile derart gehäuft, dass man eine systematische Behebung ins Auge fassen musste. Ab 1985 wurden auf der Grundlage eines von Architekten Karl Josef Ernst, Zülpich, erstellten Maßnahmenkataloges nachfolgende Arbeiten am Außenbau durchgeführt:

  • Zimmermannsmäßige Ergänzung der Dachkonstruktion, Neueindeckung der Schieferdächer und Reparatur der Blechbedachungen über den Schiffen und am Chor.

  • Reinigung der Tuffsteine mit sanftem Dampfstrahl ohne Zuhilfenahme von Chemikalien. Umfangreiche Auswechslung von Tuff-Werksteinen an der Chor-, Süd- und Westseite in Tuff. Es zeigte sich dabei, dass zahlreiche alte Werksteinen durch nicht lagerhafte Versetzung der Länge nach gespalten waren.

  • Schließen offener Fugen mit Trasskalk-Mörtel und anschließende Hydrophobierung.

  • Abarbeiten der Grauwacke-Steine des Sockels mit Einsetzen neuer Werksteine. Im Hinblick auf den erwünschten Natursteineindruck wurde auf eine Schlämme verzichtet. Stattdessen wurden größere Fehlstellen mit Mineros ergänzt. Abschließend wurde das ausgebesserte Mauerwerk mit Silikatfarbe gestrichen.

  • Reinigung der Sandsteinteile mit sanftem Dampfstrahl ohne Zuhilfenahme von Chemikalien. Stabilisierung von Fialen und bildhauerische Ergänzung der fehlenden Abschlüsse. Ergänzung fehlender Gesimse und Krabben auf den Giebeln.

  • Reinigung der Maßwerkfenster mit Wasser und Schließen offener Fugen.

  • Der südwestliche Flankierungsturm hatte auf der Südseite, vielleicht verursacht durch das Läutewerk, senkrechte Risse gezeigt. Nach einem statischen Gutachten von Dipl-Ing. Krings, Rösrath, wurde er in voller Höhe in sieben Ebenen mittels Verankerungen aus V4A-Gewindestahl gesichert.

  • Die gusseisernen Helme der Westtürme zeigten in Höhe der Wimpergspitzen und des Sockels Korrosionsschäden. Sie wurden mit Hochdruckreiniger und Zusatzmittel entros-tet, neu verfugt und in dreifachem Arbeitsgang mit PVC-Acryl in tufffarbenem Steinton beschichtet.

  • Instandsetzungen im Inneren

    Wenn auch die Wertschätzung des Äußeren der Apollinariskirche wie die des Historismus überhaupt Schwankungen unterworfen war, so galt dies nicht für die Ausmalung. Sie galt seit ihrer Fertigstellung durch ihre künstlerische Bedeutung und als Träger religiöser Botschaften als „Schmuck und Zierde der Kirche ...(und sollte) das Herz des Besuchers und des Beters zu inniger Frömmigkeit anregen."

    Schon vor 1914 hatten sich Schäden an den Wänden gezeigt. Sie hatten, soweit heute bekannt, ihre Ursache in der Tatsache, dass die Künstler des 19. Jahrhunderts aus Unkenntnis nicht eine reine Fresco-Technik anwandten, sondern eine Mischung aus Fresco und Secco. Doch konnten die geplanten konservatorischen Arbeiten wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges nicht aufgenommen werden. Erst im Jahre 1929 führte im Auftrage der Franziskaner Restaurator Meinrad Glas, Donaueschingen, umfangreiche Konservierungen und malerische Ergänzungen, insbesondere durch Nachmalen von Köpfen, durch. Außerdem wurden die Gemälde gereinigt. Die Arbeiten, die nicht mit Wissen und Billigung der rheinischen Provinzialdenkmalpflege ausgeführt worden waren, wurden besonders wegen fehlender künstlerischer Qualität der Ergänzung von dieser abgelehnt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden weitere Konservierungen und Restaurierungen an der Malerei von den Firmen Franz Stiewi, Aachen, M. Heise, München sowie Fischer, Egling bei München, durchgeführt.

    Im Jahre 1994 wurde die Apollinariskirche mit ihrer Wandmalerei in das Projekt „Erhaltung historischer Wandmalereien" des Bundesministeriums für Forschung und Technologie aufgenommen, das in Kooperation mit der Fachhochschule Köln unter Leitung von Prof. Dr. Dasser und in Absprache mit der Restaurierungswerkstatt des Landesamtes für Denkmalpflege durchgeführt wurde. Die Untersuchungen stellten im Wesentlichen folgendes Schadensbild fest:

    Als Folge wurden in den letzten Jahren durch die Restaurierungswerkstatt Michael Hangleiter, Otzberg, umfangreiche Konservierungsarbeiten an den Ausmalungen des Chorgewölbes sowie an den Wänden der Schiffe durchgeführt.

    Neben den dargelegten Problemstellungen bei der Erhaltung der Malerei gehörte zu den denkmalpflegerischen Defiziten bei der Bewahrung des Innenraumes auch die Abnahme der oberen Verzierungen auf dem Kanzeldeckel. Sie wurden inzwischen durch die Werkstatt Schneider, Kreuzberg, wieder aufgestellt, fehlende Teile ergänzt.

    Seit dem Jahr 2000 wird nach umfangreichen restauratorischen Voruntersuchungen die Krypta bearbeitet. Dabei stellte sich heraus, dass sich unter dem modernen graugrünlichen Farbanstrich die originale Farbfassung der Erbauungszeit mit einem differenzierten System aus roter und blauer Bänderung mit einer Art gemalter Klöppelspitzen erhalten hat. Das Ziel ist nun die farbliche Neufassung der Krypta auf der Basis des historischen Befundes und eine weitgehende Erhaltung und Ergänzung dieses Befundes.