Die Wappengrabplatte des Dietrich v. Braunsberg in Burgbrohl
Ein steinernes Dokument
Maria Gromke
Grabplatten, die Jahrhunderte überdauerten
Vielerorts stoßen wir auf alte Grabplatten. Oft liegen sie in Kirchen an ihrem ursprünglichen Verwendungsort, verschließen und kennzeichnen dort seit Jahrhunderten Gräber und erinnern gleichzeitig an Menschen, die früher lebten, vor allem an höhere Kleriker, Adelige, Stifter, wohlhabende Bürger. Sehr anschaulich wird dies noch in St. Cyriakus, Mendig. Grabplatten finden wir jedoch auch an Innen- oder Außenmauern von Gotteshäusern gelehnt, wofür sie - unabhängig von der Begräbnisstätte - sozusagen als Erinnerungsmal konzipiert sein können. Das ist oft bei plastischen figürlichen Darstellungen oder Hochreliefs der Fall. Natürlich begegnen wir auch Grabplatten, die man im Laufe der Jahrhunderte versetzte, wie z.B. in Burgbrohl, Brohl und Oberbreisig oder in einer Kirche einmauerte, wie in Wassenach.
Dietrich von Braunsberg auf einem Stifterbild des 17. Jahrhunderts
Bei genauerem Hinsehen wird eine erstaunliche Vielfalt dieser speziellen Art der Grabmalkunst sichtbar. Material, Größe und kunsthandwerkliche Bearbeitung der einzelnen Platten weichen stark voneinander ab. Die Bandbreite reicht von extrem großen bis zu relativ kleinen Grabplatten und von einfachsten bis aufwendigen künstlerischen Arbeiten mit reicher Ornamentik, umfangreichen Inschriften oder figürlicher Plastik. Ablesbar sind trotz aller individueller Gestaltung sowohl bestimmte Grundformen (Symbol-, Figuren-, Inschriften-, Wappengrabplatten) wie auch typische Gestaltungen in den verschiedenen Epochen und Regionen.
Wichtige Kulturdenkmäler in Burgbrohl
In Burgbrohl haben zehn Grabplatten 300 Jahre und mehr überdauert. Sie wurden in unserem Jahrhundert im Umfeld der Alten Kirche, Gleeser Straße, aufgestellt. Wir können hier leicht zwei der vier Grundformen, nämlich Symbolgrabplatten und Wappengrabplatten, erkennen.
Grabplatten im Trend der damaligen Zeit
Wappen, seit dem 11. Jahrhundert Gemeinschafts- und Erkennungszeichen im Krieg auf Schild, Helm, Waffenrock, Pferdedecke und Lanze, wurden seit dem 12. Jahrhundert erblich und entwickelten sich zunächst zum Familiensymbol der Adeligen. Schon sehr früh, vereinzelt schon im 13. Jahrhundert, fanden Wappen in Verbindung mit dem Symbol des Kreuzes oder mit Inschriften künstlerische Gestaltung auf Grabplatten. Im 14. Jahrhundert hielten Wappen Einzug in geistliche und bürgerliche Kreise. Nun gewann die Wappengrabplatte zunehmend an Bedeutung und erfreute sich bis ins 18. Jahrhundert größter Beliebtheit, besonders im Rheinland und in Bayern.
Die Wappengrabplatten einer adligen Familie
Acht der Burgbrohler Platten schmücken ein oder mehrere Wappen, die ein aufmerksamer Betrachter in zwei Kategorien einteilen kann: in Schmuck- und Geschlechterwappen. Die Geschlechterwappen fallen durch reichhaltigere, aufwendigere Darstellungen und sich wiederholende Wappen auf. Vier dieser Platten halten die Erinnerung an eine ehemals für Burg- brohl bedeutsame fünfköpfige Familie wach, die Familie von Braunsberg, einst Besitzer der 1689 abgebrannten Brolburg. Die Familienmitglieder: Dietrich von Braunsberg, gestorben 1623; seine Frau Maria von Braunsberg, geborene von Orsbeck, gestorben 1628; ihr Sohn Theodoricus Engelbert von Braunsberg, 1612 mit drei Monaten gestorben und ihre Tochter Annalisa von Braunsberg, verheiratete von Bourscheidt, die Ahnfrau aller von Bourscheidts von Burgbrohl, gestorben 1655.
Die Wappengrabplatte des Dietrich von Braunsberg
Die Grabplatte des Dietrich von Braunsberg soll nachfolgend näher betrachtet werden. Die Platte ist aus Basalt und 1,87 m hoch und 0,97 m breit. Im Mittelpunkt sehen wir ein großes Vollwappen, d.h. einen Wappenschild mit Helmen, Helmzieren und Helmdecke.
Das ursprüngliche Wappen derer von Braunsberg, dieses sehr alten rheinischen Geschlechts, sind drei silberne Rauten auf rotem Grund und als Helmzier ein weißer Rüde, der zwischen zwei roten ebenfalls mir Rauten belegten Hörnern steht. Mit Rüde ist hier eine besondere Jagd- und Hetzhundrasse gemeint. Unschwer erkennen wir dieses alte Braunsbergsche Wappen in Feld 1 und 4. Doch warum ist der Wappenschild geviert? Warum enthalten die Felder zwei und drei jeweils 14 (rote) Kugeln, das Schildzeichen derer von Brule? Und warum ist die von Brul’sche Helmzier, die Hindin (Hirschkuh), auf dem Helm zu sehen? Die Antwort ist einfach. Hier handelt es sich um ein sogenanntes Erbschafts- oder Anspruchswappen, mit dem der Besitzer seinen Anspruch oder seine Berechtigung auf Besitz kennzeichnen wollte.
Das obige Anspruchswappen führte ein Vorfahre Dietrich von Braunsbergs, (ebenfalls ein Dietrich v. Br., verheiratet mit Barbara von Sickingen, einer Tante des berühmten Ritters, Franz von Sickingen) gegen Ende des 15. Jahrhunderts ein. Er nannte sich als erster von Braunsberg Herr zu Brolburg, obwohl er noch nicht über den gesamten ursprünglichen Besitz des 1486 erloschenen Geschlechts derer von Brule verfügte.
Das gesamte Wappen, das für die Person Dietrich von Braunsberg steht, umschließt ein ovales Gebilde, das jedoch eindeutig als Lorbeerkranz identifiziert werden kann. Die immergrünen Lorbeerblätter gelten seit altersher als Sinnbild der Unsterblichkeit, im Christentum als Zeichen des ewigen Lebens. Der Kranz oder die Krone der Ehre, der Freude, der nach 1 Petrus 5,4 „unverwelkliche Kranz der Herrlichkeit“, schmückt sehr häufig Grabplatten.
Gaben die Auftraggeber der Grabplatte durch das Symbol des Kranzes ihrer Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tode Ausdruck, so scheinen sie noch etwas anderes betonen zu wollen: die Familie, die Abstammung. Sie benutzten - wie es seit dem 15. Jahrhundert häufig praktiziert wurde - die Wappen der Ahnen als Dokumentationsform und zwar die der beiden Großelternpaare des Verstorbenen.
Die Anordnung der Ahnenwappen ist nicht immer gleich. Hier ist sie folgendermaßen: Vom Betrachter aus oben links (heraldisch rechts) der Großvater Dietrich von Braunsbergs (väterlicherseits), Philipp Dietrich von Braunsberg. Er war Kurfürstlicher Kölnischer Marschall und Rat. Im Jahre 1551 reiste er mit dem Kurfürsten Adolf III von Köln nach Oberwesel, um der dortigen Versammlung der rheinischen Kurfürsten beizuwohnen. Als er aus dem Schiff in einen angehängten Kahn umsteigen wollte, fiel er in den Rhein und ertrank.
Das zweite obere Wappen verweist auf den Vater seiner Mutter, Philipp von Winnenburg und Beilstein/Mosel.
Jeweils senkrecht unter den Wappen der Großväter sollten eigentlich deren Ehefrauen gewürdigt sein. Doch hier sind die Wappen der Großmütter Dietrich von Braunsbergs überkreuz angebracht. Sollte die ranghöhere Gräfin den höher bewerteten Platz auf dem Grabstein einnehmen? Wir wissen es nicht. Jedenfalls ist das Wappen der Großmutter (mütterlicherseits), der Ursel, Gräfin von Ritberg, verheiratete von Winnenburg unten links zu sehen.
Rechts unten ein heraldischer Hinweis auf die Freifrau Alberta von Mylendonk, verheiratete von Braunsberg. Sie war übrigens die Tochter Dieter von Mylendonks und der Agnes von Drachenfels.
Aus dem Bedürfnis der Hinterbliebenen über Verstorbene etwas Besonderes auszusagen und über den Tod hinaus ihr Andenken lebendig zu halten, ihnen ein Ruhmesdenkmal zu setzen oder auch das eigene Image aufzuwerten, verwandte man Jahrhunderte lang In- oder Umschriften auf Grabplatten. Die Betonung persönlichkeitsbezogener Werte (edel, gelehrt usw.) steht vielfach neben den Aufzeichnungen von Ämtern, Titeln, Besitz, Macht usw… Die Grabplatte Dietrich von Braunsbergs enthält auf einem schönen erhabenen Rand mit umlaufenden Ritzlinien als Zierelement die aufschlussreiche Umschrift: A.(NNO) 1623 DEN 11. DECEMBRIS STARB DER WOLEDEL VND GESTRENG DIETRICH VON BRVNSBERG, HER(R) ZV BROLBERG; HERXHEIM; ALKEN VND BROIL ERB ZU NORDENBECK VND ESSENDISCHER AMPTMAN(N) ZV BREISIG D(ESSEN) S(EELE) G(OTT) G(ENADE).
Aus der Umschrift erfahren wir, dass sich das Besitztum und Herrschaftsgebiet des Dietrich von Braunsberg nicht nur auf Burgbrohl beschränkte und dass er als Amtmann für die Fürstäbtissin des Kaiserlich-Freiweltlichen Damenstiftes Essen, in Breisig tätig war.
Die Grabplatte des Dietrich von Braunsberg in Burgbrohl am Turm der alten Kirche
Vielleicht lag die ausgesprochen harmonisch gestaltete, leider im unteren Drittel zersprungene, aber wieder restaurierte Wappengrabplatte des Dietrich von Braunsberg in der kleinen Vorgängerkirche der jetzigen Alten Kirche und später in dieser. Deutliche Abnutzungsspuren deuten darauf hin, dass sie sehr häufig oder lange Zeit begangen wurde, ein Vorgang, der durchaus beabsichtigt war. Ganz, ganz allmählich - so die Intention - sollten die Verstorbenen dem Gesichtskreis der Lebenden entschwinden.
Es ist schön, dass heute noch sehr alte „steinere Dokumente“ Auskunft über einen Menschen und seine Zeit geben. In Burgbrohl gehören die Grabplatten zu dem Wenigen, das sich aus vergangenen Jahrhunderten an kleinen Kunst- und Geschichtsdenkmälern erhalten hat und sie verdienen die Aufmerksamkeit all derer, denen die Bewahrung des kulturhistorischen Erbes ein Anliegen ist.