Ein römisches Relikt über einen ägyptischen Kult an einem christlichen Ort

Zu einem Relief in der Pfarrkirche St. Marien, Bad Breisig

Heino Möhring

In der Pfarrkirche St. Marien in Bad Breisig steht am Fuß des Pfeilers zwischen dem Hauptschiff und dem seitlichen Erweiterungsbau ein Kalkstein, auf dem sich ein 60 x 62 cm großes Relief befindet. Die Darstellung zeigt einen auf den Hinterbeinen stehenden Ziegenbock, der sich mit den Vorderbeinen gegen den Stamm eines Baumes stemmt, um von dessen Blättern zu naschen. Unschwer ist zu erkennen, daß sich dieser Votivstein, offensichtlich ein Bruchstück eines größeren Kultsteines, hier im Innenraum der Kirche nicht an seinem angestammten Platz befindet.

Nach den Angaben der "Kunstdenkmäler der Rheinprovinz" war das Kalksteinrelief noch in den dreißiger Jahren in der Gartenmauer des damals neuen Pfarrhauses eingelassen. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf ein 65 x 80 cm großes Gegenstück, ebenfalls ein Relief aus Kalkstein mit ähnlicher Darstellung, das zu dieser Zeit im unteren Garten der Burg Rheineck aufgestellt war.

Römische Spuren

Diese Angabe gibt einen Hinweis auf die mögliche Herkunft des Steines in der Breisiger Kirche. Denn auf dem 182 Meter über das Rheintal hinausragenden Grauwackenkegel, auf dem heute die Burg Rheineck steht, befand sich vor circa 2000 Jahren vermutlich eine römische Warte. Der Vinxtbach bildete die Grenze zwischen den Provinzen Obergermanien (Germania superior) und Niedergermanien (Germania inferior), und hier begann auf der rechtsrheinischen Seite der Limes, jener berühmte römische Grenzwall, der in einer Länge von 550 km bis zur Donau verlief. Man datiert seine Entstehung in die Regierungszeit Kaiser Domitians um 80 n. Chr.. Bildete nach Norden hin der Rhein die Grenze gegen das freie Germanenland, so schützte der Limes bis ins 3. Jh. n. Chr. die südlicheren, römisch besetzten Gebiete vor germanischen Übergriffen von Osten her. Berücksichtigt man, daß die römische Herrschaft am Rhein über 450 Jahre dauerte, so kann man davon ausgehen, daß im Verlauf dieser Zeit unzählige römische Soldaten hier gelebt haben. Zu den einheimischen Söldnern wurden auch Truppenteile aus anderen Gebieten des großen römischen Reiches herangezogen, so aus Kleinasien oder Nordafrika. Die Angehörigen dieser Legionen kamen aus den verschiedensten Kulturkreisen und brachten neben dem römischen und griechischen Götterglauben auch andere Religionen mit.

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Römisches Kalksteinrelief in der Pfarrkirche St. Marien in Bad Breisig.

Vorchristliche Mythen am Rhein

Sehr verbreitet unter den Militärangehörigen war seit dem 2. Jh. n. Chr. die Verehrung des Mysteriengottes Mithras. Die Gestalt dieses Gottes aus der altiranischen Volksreligion wurde mit dem Licht und der Sonne in Verbindung gebracht. Dargestellt wurde er meist als der Töter des Erdstieres, denn er soll einst vom Himmel herabgestiegen sein und einen Stier getötet haben, aus dessen Körper dann das Getreide und der Wein entstanden sind. Zahlreiche Funde aus Köln, entlang des Limes bis hin nach Wien und in die Balkanländer belegen, daß der Gott in dunklen Tempeln und auch in Höhlen verehrt wurde. Der Kult beinhaltete nicht nur Tieropfer, deren Blut man trank, sondern auch rituelle Waschungen und Mahle, bei denen Brot und Wein gereicht wurden. Da den Anhängern Mithras, sowohl die Gemeinschaft mit ihrem Gott, als auch die Auferstehung und die Unsterblichkeit verheißen wurden, war dieser Kult mit seinem Erlösungsgedanken ein scharfer Konkurrent des frühen Christentums. Ebenfalls durch zahlreiche Funde ist der Kult ägyptischer Gottheiten unter den römischen Soldaten und deren Angehörigen belegt, wobei der Gott Osiris und die Göttin Isis eine Vorrangstellung einnahmen. Der Mythologie zufolge stammten beide von der Himmelsgöttin Nuth und dem Erdengott Seb ab. Osiris regierte lange Zeit als gerechter König über Menschen und Götter. Er gab ihnen gute Gesetze und überzeugte sie durch die Kraft seiner Rede. Osiris und Isis hatten noch drei Geschwister, Harueri, Nebethi und Seth. Seth argwöhnte gegen seinen milde regierenden Bruder und tötete ihn schließlich. Er zerstückelte dessen Leiche und warf die Teile ins Meer. Isis, die Schwester und gleichzeitige Gattin des Osiris, gelang es schließlich nach langem Suchen, die Teile des Leichnahms wieder zusammenzusetzen und durch Zauber wiederzubeleben. Doch sie mußte vor Seth in die Sümpfe des Nildeltas flüchten, wo sie ihren Sohn Horus gebar. Horus rächte den Tod seines Vaters und wurde auf Erden der Stammvater aller ägyptischen Könige, während Osiris fortan die Herrschaft über das Reich der Toten zuerkannt wurde. Hier hatte jeder Verstorbene in einem Gericht über sein Leben Rechenschaft abzulegen, und nur wer ohne Schuld und Sünde war, konnte auf ein seliges Ende hoffen.

Durch die Gemeinschaft mit Osiris glaubte man in den Himmel aufzufahren, um dort ein Leben nach dem Tode zu erlangen. Osiris wurde oft in grünen Farben dargestellt und galt als der Gott der Pflanzen. Daher sahen die Ägypter in Korn und Saat die Wiederbelebung und Auferstehung des Gottes als Zeichen der Verjüngung. Er später wurde der Isis größere Bedeutung beigemessen, und man nahm an, daß sie die Menschen bereits zu Lebzeiten erlösen könne. Man machte sie zur Allgöttin über Himmel, Unterwelt und Erde, sie galt als Retterin aus der Not und Heilerin von Krankheiten.

Hoffen auf ein Leben nach dem Tod

Auch in diesem Kult kommt der aus dem Orient stammende Erlösungsgedanke zum Tragen, der das Streben des Menschen nach immerwährender Jugend, die Hoffnung auf Befreiung von allen Übeln und den Glauben an ein ewiges Leben nach dem Tode beinhaltet. Diese ureigene Bestrebungen allen irdischen Daseins legt man der Darstellung auf dem Relief des römischen Votivsteins in der Breisiger Pfarrkirche zugrunde. Ein Lebewesen in Gestalt eines Ziegenbocks versucht etwas von den saftigen Blättern einer Pflanze zu erhaschen, einer Pflanze des Osiris, man könnte sie auch als den Baum des Lebens deuten, der Verjüngung und ewiges Leben verheißt. Doch wie unerreichbar sich dies hier auf Erden erweist, zeigt der hilflose Versuch des Tieres.

Obwohl man dem Relief, das auf das 2. Jh. n. Chr. datiert wird, seinen heidnischen Ursprung nicht absprechen kann, so symbolisiert es doch eine frühe Form des religiösen Erlösungsgedankens, dem später im Christentum ein tragende Rolle zukommt.

Literatur

Paul Clemen (Hrsg l. Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz.
Druck und Verlag von L Schwann, Düsseldorf 1938
Franz Anton Paßmann. Römische Rheinfront Bonn-Koblenz
Hüllen Druck, Wachtberg-Niederbachem 1991
Joachim von Elbe. Die Römer in Deutschland.
Orbis Verlag München 1984
Hermann Göll, Illustrierte Geschichte der Mythologie
Bechtermünz Verlag. Eltville 1991