Heino Möhring
Als sich im Jahre 1118 im Heiligen Land eine Gruppe von neun Kreuzrittern unter dem Burgunder Hugo von Payens zu einer Pilgerwache zusammenschloß, konnte keiner voraussehen. daß diese Gemeinschaft der"armen Ritter Christi" einmal einer der mächtigsten Orden der Christenheit werden und etwa 100 Jahre später nahe dem damals unbedeutenden Flecken Brysich am unteren Mittelrhein ein Haus mit zentraler Funktion einrichten sollte.
Die Templer am Rhein
Im mittelrheinischen Raum traten die Tempelherren erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Erscheinung. Als Bernhard von Clairvaux im Frühjahr 1164 durch das Rheinland zog. um Teilnehmer zu einem weiteren Kreuzzug zu werben, konnte er hier unter den durch seine Beredsamkeit gewonnenen Kreuzfahrern noch keine Templer antreffen. Eine Urkunde aus dem Jahre 1215 über eine Schenkung des Florin-stifts zu Koblenz an den Templerhof zu Brysich belegt erstmalig dessen Existenz am Mittelrhein. Ebenso berichtet Caesarius von Heisterbach in seinem Dialogus miraculorum. um 1220 verfaßt, von einem Priesters aus Brysich. genannt Einolph der Templer, der ihm mehrmals von einem wundersamen Jugenderlebnis erzählt habe. Frühere Nachweise über die Gründung eines Domus milice templi in Brisiches'mü nicht vorhanden.
Die Gründung
Es wird vermutet, daß die Gründung auf Graf Wilhelm III. von Jülich zurückgeht, der Anfang des 13. Jahrhunderts die Obervogtei über Brysich als Lehen erhalten hatte. Wilhelm hatte gemeinsam mit dem Grafen Heinrich von Sayn
am fünften Kreuzzug teilgenommen, in dessen Verlauf die ägyptische Stadt Damiette an der Nilmündung im November 1219 nach eineinhalbjähriger Belagerung erobert werden konnte. Dabei wurde Wilhelm tödlich verletzt und soll noch im Sterben die Burg Bergstein und die Kirchen zu Nideggen und Siersdorf dem Deutschen Orden geschenkt haben. Daraus schließt man nun, daß er auch dem Templerorden Land südlich des Fleckens Brysich übergeben haben könnte, zudem man von dem Kreuzfahrer Heinrich von Sayn weiß, daß er ebenfalls etwa um dieselbe Zeit Schenkungen sowohl an den Deutschen Orden als auch an die Templer tätigte. Diese Art der Förderung der bewaffneten Ordnen zur Erhaltung des Heiligen Landes war in jenen Tagen nichts Ungewöhnliches, und Wilhelm von Jülich hätte durch die Anwesenheit der streitbaren Rittermönche bei Brysich, dieser südlichsten Position seines Herrschaftsbereichs, gleichzeitig eine starke Sicherung gegeben.
Der Standort
Die Wahl dieses Standortes zur Errichtung eines festen Hauses war für die Interessenten des Templerordens nicht unbedeutend. Von hier an der Wasserstraße des Rheins im Schütze der Burg Rheineck, wo die Grenze zwischen den Diözesen Köln und Trier verlief, konnten sie ihren Geltungsbereich an Nieder- und Mittel-rheingeltendmachen. Daß sich ihrWirken nicht allein auf den Frankfurter und Kölner Raum beschränkte, sondern später nach Aufgabe der Besitzungen im Heiligen Land auch die Ostkolonisation mit einschloß, belegt bis auf den heutigen Tag der Name des Berliner Stadtteils Tempelhof.
Das anfangs bescheidene Haus der Templer zu Brysich nahm schnell an Bedeutung zu. Dies belegt die Kunde von einer angeschlossenen Kommende in Hönningen und von einem Haus in der Trankgasse zu Köln, das der Meister der Templer zu "Briske" 1237 von einem gewissen Gerardus gekauft hat. Der hier erstmals erwähnte Meister der Breisiger Kommende war direkt dem im Haupthaus zu Jerusalem residierenden Großmeister verantwortlich.
Die wirtschaftliche Macht
Da der Orden rasch zu einer regelrechten Kolonialmacht herangewachsen war, die riesige Ländereien und eroberte Städte in zwei Kontinenten besaß, große Lehen erworben hatte und Unmengen an Sachgütern in ihren Komtureien und Kirchen anhäufte, waresunerläßlich, in der Handelsmetropole Köln im Schatten des Domes Fuß zu fassen; denn neben ihrer Aufgabe, Feldzüge gegen die Feinde des Christentums zu führen, waren die Templer zu Bankiers geworden, deren Finanzsystem bereits all die Praktiken umfaßte, die für eine moderne Geldwirtschaft unerläßlich sind. Sie führten Konten, erhoben Maklergebühren, vergaben Darlehen und Bürgschaften und vermittelten internationale Geldtransfers und Wechselgeschäfte. Aufgrund der damaligen Unsicherheit auf den Landstraßen und der zahlreichen Schiffsunglücke waren diese Einrichtungen für jeden Handeltreibenden ungemein wichtig. So konnte beispielsweise ein in Jerusalem oder Akkon ausgestellter "Scheck" in der Breisiger oder jeder anderen Komturei eingelöst werden, ohne daß ein Kaufmann mit großem Gepäck oder Gefolge reisen mußte.
Das Haus und seine Mitglieder
Die Bedeutung der Komturei zu Brysich manifestierte sich in einer weitläuftigen Anlage mit einem hochgiebeligen Wohnhaus, einer Kapelle und mehreren Wirtschaftsgebäuden. Die einst prachtvolle, mit gotischem Laubwerk ausgeschmückte Donatus-Kapelle aus der Zeit um 1245 stand südlich des Wohnhauses und wurde Anfang des 19. Jahrhunderts abgerissen. In ihr behüteten die Templer eine Kreuzreliquie, die sie von "Outremer", so bezeichnete man im Mittelalter das Heilige Land, mitgebracht hatten. Sie befindet sich heute in der Pfarrkirche St. Marien, wo sie seither alljährlich am 14. September zum Fest Kreuzerhöhung verehrt wird. In diesem Zusammenhang tritt neben der wirtschaftlichen Bedeutung der Templer für das alte Brysich auch die religiöse Einflußnahme hervor. So verdankt die ehemalige Nikolauskapelle, ein Vorgängerbau der Marienkirche, ihre Entstehung ebenfalls diesem Ritterorden.
Der rechteckige profane Wohnbau der einstigen Kommende präsentiert sich dem heutigen Besucher in seiner zweistöckigen Gestalt entsprechend der seines Umbaus aus dem Jahre 1657, als das Anwesen bereits denJohannitern gehörte. Das alte Templerhaus wurde während des Dreißigjährigen Krieges teilweise zerstört. Ein verwittertes Wappen und ein Steinkreuz mit
einer Buchstabenreihe als Umschrift über der Eingangstür erinnern an diese Zeit, als vermutlich ein gewisser Heinrich von Warsberg, des-sen'Geschlecht von 1571 bis 1654 die Burg Rheineck Besaß, hier Komtur war, wenn man die Buchstabenreihe
" H. M. V. W. R. M. 0. R. C. Z. T. A. B. S. S. V. W."
als "Henricus Miles von Warsberg-Rheineck, Militaris Ordinis Crucis "Zum Tempel" ad Briseche, Sancti Sepuleri, von Warsberg" interpretiert.
Aber auch aus der eigentlichen Templerzeit sind etliche Namen von Ordensmitgliedern urkundlich bekannt. So war 1245 ein gewisser Otfried Ordensmeister von Brysich, 1268 ein Meister Hildebrand. Im Jahre 1258 wird das Miglied Hugo von Merl nach Akkon geschickt, und für das Jahr 1290 werden Heinrich von Blatersten, Conrad und Gysilbert von Menden, Tilmann von Honnef und Heinrich von Dollendorf als Ordensbrüder genannt. Diese Namen belegen, daß die Breisiger Niederlassung sehr heimatbezogen war und sich vornehmlich aus Angehörigen des rheinischen Adels rekrutierte.
Der Stern sinkt
Als mit dem Verlust des Heiligen Landes gegen Ende des 13. Jahrhunderts der Templerorden gezwungen war, seinen Sitz zunächst nach Cypern und dann nach Paris zu verlegen, hatte dies großen Einfluß auf dessen Geld- und Vermögenswirtschaft. Im rheinischen Raum mußten viele Einkünfte, Anspruchsrechte und Güter aufgegeben werden, und so manches seit jeher mit "Tempelwald", "Tempelwiese" oder "Tempelacker" bezeichnete Grundstück wechselte den Besitzer. Aber dennoch verblieben den Templern so viele Reichtümer, daß sie den Neid vieler Zeitgenossen auf sich zogen. Da gab es nicht nurdie rivalisierenden Orden der Johanni-ter oder der Hospitaliter, da waren auch Philipp der Schöne, König von Frankreich, und Papst Clemens V., die beide versuchten, Einfluß auf den vermögenden Orden zu nehmen.
Da sich viele Zeitgenossen die Herkunft eines derart sagenhaften Reichtums nicht erklären konnten, weil sie die für die damalige Zeit umwälzenden Bankgeschäfte der Templer nicht durchschauten, bezichtigten sie sie der Alchimie.
Das Ende
Am 13. Oktober des Jahres 1307 wurden in einer großangelegten Aktion alle Templer in ganz Frankreich gefangengenommen, um die Macht des Ordens zu brechen. 1312 wurde der Orden aufgehoben. Sein Vermögen ging in Kirchengut über. Auch am Rhein ging nach knapp hundert Jahren die Herrschaft des Templerordens zu Ende. Obwohl die Johanniter anschließend für 500 Jahre die Besitzungen der Templer übernahmen, hat sich für das an der Koblenzer Straße in Bad Breisig gelegene Haus der Name "Templerhof" bis auf den heutigen Tag erhalten.
Der Templerhof um 1960.
Literatur:
Lehmann, Johannes: Die Kreuzfahrer, AbenteurerGottes, Berteismann Verlag GmbH.
München 1976.
Sede, Gerard de; Die Templer sind unter uns, Verlag Ullstein GmbH.
Berlin, Frankfurt/M., München, 1962.
Neu. Heinrich: Die Templer von Niederbreisig in; Rheinland-Reich-Westeuropa. Gesammelte
Schriften von Heinrich Neu. Festgabe zur Vollendung des 70. Lebensjahres am 11. Mai 1976,
Bouvier Verlag
Herbert Grundmann, Bonn 1976.