Die Mielenburg bei Unkelbach

Carl-Heinz Albrecht

Dem alten Rheinstädtchen Unkel gegenüber ergießt sich zu Füßen des Höhensitzes „Haus Ernich" ein kleines Bächlein in den Rhein, der „Unkelbach". Unmittelbar an der Provinzial-straße — der alten Römerstraße — steht ein Heiligenhäuschen, gleichsam als Wegweiser für den geruhsamen Wanderer, der dem Unkelbach folgen und die Ruinen der Mielenburg entdecken will.

Der Wanderer wird erstaunt sein, zu erfahren, daß gerade in dem Bereich des Heiligenhäuschens bereits Ende des vorigen Jahrhunderts im Hanggelände ein fränkisches Gräberfeld entdeckt worden ist. Die Funde sind seiner Zeit dem Landesmuseum in Bonn übergeben worden. In jüngerer Zeit, 1971, konnte beim Bau der Kläranlage am Unkelstein ein großes römisches Brandgrab entdeckt werden, das nach Anlage und Keramikfunden von der sehr frühen Anwesenheit der Römer im Tal des Unkelbaches Kunde gibt. Doch der Weg des Wanderers geht weiter hinauf zur Ortslage an dem sich schlangelnden Bachlauf — fast möchte man meinen, der Bach hieß „Schlangenbach" — entlang.

Unkelbach bietet mit seinen schmucken Fachwerkhäusern ein wirklich anheimelndes Bild. Es ist eine alte Siedlung, die erstmals im Jahre 854 als Unchabach erwähnt wird. (Levi-sion, in: Bonner Jahrbuch 136/137). In der Ortslage wurde Ende des vorigen Jahrhunderts ein römisches Ziegelplattengrab entdeckt. Das Tal ist aber schon von Steinzeitleuten aufgesucht worden, wie recht bedeutende jungpaläolithische Fundstücke beweisen, die dem Geologischen Institut der Universität Bonn 1913 übergeben wurden.

Doch genug von den sehr frühen Funden. In der Ortslage nahe der Dorfkirche, wo heute die Leute „am Bach" wohnen, lag ursprünglich nur ein einziges Gebäude, der „Grafenhof". Mit diesem Grafenhof ist der Bau der Mielenburg aufs engste verknüpft. Der Grafenhof wurde von der Familie von der Mielen bewohnt. Die Familie betrieb eine regelrechte Ackerwirtschaft und Weinbau. Der ausgedehnte Besitz erforderte zahlreiche Arbeitskräfte. Eine Viertelstunde vom „Grafenhof" entfernt, auf dem Wege zum Bentgerhof hinauf, lag das „Schlagdorf". Dieser Ortsteil gehörte zur Herrschaft von der Mielen. Hier wohnten die Arbeitskräfte. Noch heute erinnert der Flurname „am Schlag" wo einst das Dort gestanden hat. Nach Prof. Dr. Janssen ist das „Schlagdorf" eine mittelalterliche Wüstung. Noch hat der Wanderer keine Burg oder Ruine entdeckt. In der Südostecke der Gemarkung Gedingen liegt im Fichtendickicht eine mittelalterliche viereckige Burganlage, die an drei Seiten von tiefen Gräben umgeben ist. Die Flurnamen „Auf der Burgmauer" oder „Alte Burg" geben heute noch Kunde, daß hier eine Burg gestanden hat. Wer allerdings versuchen wollte, noch Fundamente dieser alten Anlage zu entdecken, wird auf geringe Reste von Mauerwerk stoßen, das aus Grauwacke und römischen Ziegeln in starker Mörtelpackung besteht.

Die Mielenburg ist im 13. Jahrhundert von dem Grafen Robert von der Mielen erbaut worden. Graf Robert trug sich mit dem Plan, oberhalb des Schlagdorfes eine Burg zu bauen. Unter den beschwerlichsten Umständen wurde das Baumaterial aus dem Ber-kumer Bruch herangeschafft. Der Basaltsteinbruch am „Dungkopf war scheinbar noch nicht genügend erkundet. Denn hier lag ja das Baumaterial unmittelbar vor der ,,Türe".

Wie so oft im Leben, war es Graf Robert nicht vergönnt, seinen Lieblingsplan vollendet zu erleben. Ein Herzschlag machte seinem Unternehmen 1292 ein plötzliches Ende. Seine Gemahlin war schon 1281 gestorben. Die Erben teilten das Erbgut — den Grafenhof und das Schlagdorf — mit den zugehörigen Ländereinen untereinander auf. Das Erbe war unter vier Geschwister zu teilen. So berichtet der Chronist, daß der älteste Sohn Robert seinem jüngsten Bruder Reinhold den väterlichen Grafenhof überließ. Graf Robert heiratete die Tochter des Grafen von der Leyen und schlug seine Zelte in Köln auf. Die einzige Schwester Rosina erhielt zwar den Besitzteil, der heute noch der „Burggarten" heißt, blieb aber bei ihrem Bruder auf dem Grafenhof.

Graf Edmund, der Zweitälteste, erhielt die Ländereien „Vor der Burgmauer,, in Richtung Gedingen. Hier wurde die Burg gebaut, deren Bau durch den plötzlichen Tod von Graf Robert unterbrochen werden mußte. Der junge Graf Edmund von der Mielen vollendete den Plan seines Vaters. Die Burg erhielt nach denn Familiennamen den Namen „Mielenburg". In den bekannten Bonner Jahrbüchern wird die Mielenburg wie folgt beschrieben:

„Westlich Unkelbach liegt an der Grenze von Gedingen auf einer Bergzunge eine mittelalterliche Burganlage von 30 mal 40 m Umfang in West-Ost- bzw. Nord-Süd-Richtung gemessen. Die Anlage ist an der Westseite durch Gräben und heute verstürzten Mauern, auf den übrigen Seiten durch Steilhang und eine Mauer gesichert, die noch an mehreren Stellen zu erkennen ist."

Die Burg war in einfachem Baustile und in Quadratform errichtet, so der Chronist, nach Osten stand ein Wächterturm. Ein Bächlein, noch jetzt „Kniebrunnen' genannt, fließt unmittelbar an der Burganlage vorbei.

Der Burgbau erforderte viele Arbeitskräfte, die aus der Umgebung zusammenströmten. Das „Schlagdorf" wurde zur beachtlichen Siedlung von 80 Häusern, deren Familien der Herrschaft von der Mielen dienten. Die neuerbaute Burg aber stand nur kurze Zeit. Nach einer alten Chronik waren zwischenmenschliche Beziehungen — Eifersucht — mit im Spiel, um das Schicksal der stolzen Burg zu vollenden.

Graf Edmund gewann das Herz der Schwester seines Jagdfreundes Georg Brunkfeld vom „Schlagdorf". Beide waren leidenschaftliche Jäger, und auf vielen Pirschgängen treue Freunde geworden. Graf Edmund entschloß sich, die Schwester seines Jagdfreundes als Gräfin auf seine Burg heimzuführen. Wie würde sich aber seine adelsstolze Schwester Rosina verhalten, wenn er Klara heimführte? Und hier beginnt die tragische Geschichte, die die beiden Jagdfreunde, Graf Edmund und Georg, zu unzertrennlichen Weggenossen werden ließ. Graf Edmund erwuchs in dem zweiten Verehrer dem reichen Bauernsohn Stefan Brämel ein Rivale. Stefan plante ein entsetzliches Gemetzel. Er wollte seinen Nebenbuhler vernichten. Mit Geld erkaufte er die Hilfe einer Räuberbande, deren Lager in der „Bengenschenke" am Wege von Birresdorf nach Nierendorf lag. Noch heute finden wir in der Tranchot-Karte von 1813 den Hinweis auf die alte Schenke.

Die Räuber überfielen in dunkler Nacht den jungen Grafen Edmund als er vom „Grafenhof" zurückkehrte. In Unruhe um den Geliebten hatte Klara ihren Bruder Georg ihm entgegengeschickt, der noch zur rechten Zeit eintraf, sodaß die Freunde vereint die Räuber nach blutigem Gefecht in die Flucht schlagen konnten. Bei diesem Scharmützel wurde Graf Edmund schwer verwundet. Dank der unermüdlichen Riege von Klara im „Schlagdorf", wohin der Graf noch in der Nacht des Überfalles gebracht worden war, genaß er recht bald.

Doch eine böse Überraschung erlebten die Schlagdorfer. Als sie am anderen Tage nach den Räubern suchten, fanden sie die Burg von Räuberhand verwüstet. Die Burg war abgebrannt.

Wie die Liebesgeschichte nun endete bleibt im Dunkel der Geschichte gehüllt. Aus späterer Zeit nennt die Chronik nur wenige Daten. Das Geschlecht der „Mielenburger" starb aus, und ihr Besitz fiel im 15. Jahrhundert an das Kloster Heisterbach. An das Kloster mußte der Zehnte abgeführt werden. Noch heute erinnert der Name „Amzehnhoff" an jene Zeit.

Das ,,Schlagdorf" fand im 30jährigen Krieg seinen Untergang, da es von durchziehenden Schweden arg geplündert und gebrannt-schatzt wurde. Nach Beendigung der Kriegswirren kehrten einige ehemalige Einwohner des Schlagdorfes in das Tal zurück. Sie siedelten nicht mehr an ihrem alten Platz, sondern begannen im Raum des Grafenhofes ihre neuen Höfe zu errichten. Hier war die Flur zur Anlage von Äckern. Obst- und Weingärten günstiger. Vor allen Dingen boten hier Brunnen und der heutige „Unkelbach" reichlich Wasser. Das neuentstehende Dorf erhielt den Namen „Unkelbach". Der Bach erhielt den gleichen Namen.

Lange lebten die Einwohner in Ruhe und Frieden. Erst mit der Rückkehr der Franzosen über den Rhein 1812 und 1813 herrschten wieder Angst und Schrecken im Dorf. Die Bewohner flüchteten auf die Berge und versteckten sich in den Wäldern. Die Franzosen plünderten das Dorf und legten es in Schutt und Asche.

Dennoch: Die Unkelbacher überwanden auch diese schreckliche Zeit. Sie bauten ihr Dorf wieder auf. Mit der aufkommenden Steinindustrie entwickelte sich Unkelbach zu einem schmucken stattlichen Dorf.

Literatur:

Otto Kleemann: Vor- und Frühgeschichte des Kreises Ahrweiler
- 1971 -
Walter Janssen: Studien zur Wüstungsfrage im fränkischen Altsiedelland zwischen Rhein. Mosel und Eifelnordrand, Köln 1975 l. u. II. Teil
Bonner Jahrbuch 142, 1937 S 261